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Channel: Belltower News - Neue Rechte
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Neue Heiden hat das Land

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Das ist des braunen Pudels Kern: Hass auf Juden- und Christentum, auf die Idee der Gleichheit aller Menschen – Sehnsucht nach einer archaischen Welt aus Herren und Sklaven, Führern und Geführten

Von Thomas Assheuer

Warum? Warum soll man sich daran die Finger schmutzig machen? Warum soll man seine Gedanken an ein Weltbild verschwenden, das doch nur die alten Schändlichkeiten enthält – das alte braune Gift, den Hass auf Juden, Linke, Ausländer? Ein Weltbild, in dem stets dieselben Zitiersoldaten vorbeimarschieren, die Dichter und Denker der »Konservativen Revolution« aus der Zeit der Weimarer Republik?

Die Antwort ist einfach. Rechte und rechtsextreme Intellektuelle wissen, dass sie in der »bürgerlichen Mitte« noch keinen Stiefel auf den Boden bekommen. Deshalb versuchen sie, ihre Ideologie sorgsam zu »portionieren«, mit frischen Etiketten zu versehen und als harmlosen Diskussionsbeitrag unter die Leute zu bringen. Die Forschung nennt dies »Framing«. Im »Kampf um die Köpfe« (NPD) offerieren rechte Intellektuelle der Öffentlichkeit scheinbar unverfängliche Teile ihres Weltbildes als Deutungsrahmen für soziale Probleme. Nur eines muss dabei unsichtbar bleiben: das Fundament, das diesen Rahmen trägt.

Dieses Fundament ist seit eh und je ein extremer Biologismus, also die Ansicht, Menschen seien von Natur aus ungleich und unterteilten sich in höher- und minderwertige Wesen, in Herren und Knechte, Führer und Geführte. Deshalb verachten rechte Denker die Idee der Menschenrechte zutiefst. Dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, Rechte zu haben, ist für sie ein tödliches Gift im »Volkskörper«. Es lähme die natürliche Auslese von Starken und Schwachen und verhindere das Entstehen von Führungseliten. Anders gesagt: Ohne Lebenskampf entarte die Gesellschaft, und plötzlich gäben Parasiten und volksfremde Elemente den Ton an. Nicht einmal große Kunstwerke brächten diese Kretins zustande. Höchstens Kuckucksuhren, wie die Schweizer.

Ohne Krieg, sagen rechte Denker, »verfault« die saturierte Gesellschaft

Die rassistische Weiterung liegt auf der Hand: Nicht nur unter Individuen, auch unter den Völkern gebe es höher- und minderwertige Exemplare. Damit wiederholt sich der natürliche Auslesekampf – gleichsam auf Weltebene – auch zwischen den Völkern, eben als Krieg, als Kampf zwischen Freund und Feind, Starken und Schwachen. Ohne diesen Kampf käme die Weltgeschichte zum Stillstand, und die Nationen würden »verfaulen«. Daraus folgt: Wer den Krieg ächtet, der fördert die Dekadenz. Denn Krieg, so klingt die sozialdarwinistische Marschmusik der intellektuellen Rechten, »vitalisiert« und »verjüngt« die übersättigte Gesellschaft. Oder wie der Schriftsteller Ernst Jünger (1895 bis 1998), ein wichtiger Schutzpatron der Rechten, seinen geistigen Waffenbrüdern mit auf den Marsch gab: Kriege müssten »von Zeit zu Zeit stattfinden, in ihnen spricht sich der Wille der Natur aus, unmittelbar in die Entwicklungen der größten Lebenseinheiten der Erde einzugreifen«.

Erst vor dem »Set« dieser biologistischen Grundüberzeugungen wird deutlich, warum radikale Rechte alles hassen, was auch nur entfernt an Moral erinnert, an »Humanitätsduselei«. Moral ist der Todfeind aller Rechtsradikalen. Denn Moral ist für sie die Widersacherin heldischen Lebens; sie zwinge den Einzelnen unters Joch des schlechten Gewissens und schlage sich auf die Seite der Schwachen. Wer Moral sage, wolle betrügen.

Man muss nicht lange rätseln, wer für die »Erfindung« der Moral verantwortlich gemacht wird, nämlich Judentum und Christentum. Die beiden »Wüstenreligionen« hätten das Gerücht von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen in die Welt gesetzt und damit friedliche Sklaven zum Aufstand gegen ihre natürlichen Herren aufgestachelt. Weil er überall auf der Welt Chaos in die Ordnung bringe, sei der Monotheismus eine Erfindung des Teufels. Er habe die Antike auf dem Gewissen, die herrliche Grausamkeit der heidnischen Welt. »Judäo-Christen« hätten die griechischen Götter vom Thron gestürzt und das nützliche Blutopfer abgeschafft. Heute fehle es uns.

Wenn nicht alles täuscht, dann steckt im – fast durchgängigen – Hass auf den Monotheismus der Schlüssel zum Verständnis des rechtsradikalen Weltbildes. Jesus Christus, schreibt der auch hierzulande gern zitierte Chefdenker der »Nouvelle Droite«, Alain de Benoist, sei der erste Bolschewist der Geschichte gewesen. Bis heute knüppele sein Fußvolk – Kommunisten, Linke, Liberale, Aufklärer – mit der Moralkeule alles Starke und Mächtige nieder und lasse die Welt in Gleichheit erstarren.

Das jämmerliche Resultat der jüdisch-christlichen Gleichheitsidee könne man überall, sozusagen urbi et orbi, besichtigen. Auf den Trümmern großer Reiche breite sich ein machtvergessener Nihilismus aus, dem nichts mehr heilig sei. Herrenlose Massen zögen wie Nomaden durch die Shoppingmalls babylonischer Städte. So habe der Monotheismus das Abendland zu genau der Wüste gemacht, der seine Propheten entstammten. Solche Sätze haben Tradition. Schon Ernst Jünger spottete über die »tausendjährige monotheistische Inzucht«, und auch für ihn begann mit Juden- und Christentum der Kreuzweg in die Gleichmacherei. Statt großer Männer herrschten heute die Mainzelmännchen.

Angesichts von so viel Verfall gibt es für die radikale Rechte nur eins: Deutschland muss seine »Wiedergeburt« in Angriff nehmen, den »judäo-christlichen« Sonderweg verlassen und sich wieder auf das Ureigene, das germanische Heidentum besinnen. Erst wo das Christentum ende, beginne die »echte Religiosität« des deutschen Menschen – echt, weil sie die Moralkeule aus der Hand gelegt habe zugunsten von antiker Härte und heroischer Macht. Mit Deutschlands Wiedergeburt ende auch die Verweiblichung politischer Eliten. Mit einem männlichen Satz des Geschichtsphilosophen Oswald Spengler (1880 bis 1936): »Wer nicht zu hassen vermag, ist kein Mann, und die Geschichte wird von Männern gemacht. Ihre Entscheidungen sind hart und grausam, und wer da glaubt, ihnen mit Verstehen und Versöhnung ausweichen zu können, der ist für Politik nicht geschaffen.«

Verachtung der Gleichheit, Lob der Auslese, heidnische »Wiedergeburt«: Das sind die Parolen, mit denen rechte Denker gemeinhin zum entscheidenden Schlag auszuholen, zum Schlag gegen die hässlichste Staatsform der Geschichte, die liberale »Demokratie«. Grau und grässlich sei sie, weil in ihr die Schwachen und Mittelmäßigen ihre scheinliberale Herrschaft über die Großen und Starken ausübten. Zu diesem »gleichmacherischen« System gibt es im rechten Weltbild nur eine Alternative: die »Volksgemeinschaft«. Sie sei deshalb eine wahre Demokratie, weil ihr »Führer« aus dem Auslesekampf des Volkes hervorgehe und dessen Interessen besser vertrete, als ein Parlament dies je könnte. Denn der Führer, so bringen rechte Denker in Anschlag, weiß: Das Volk wartet nicht auf eine Diskussion; es wartet auf einen Befehl.

Die Lieblingsparole lautet: Deutschland den Deutschen

Um sie von der Pest des Egalitarismus zu verschonen, soll die »Volksgemeinschaft« eine Ständegesellschaft sein. Jedem Einzelnen wird darin ein fester Platz zugewiesen, gemäß seinem Beitrag für die Gemeinschaft. Ausländer seien »Fremdkörper« und »bedürfen« der sofortigen »Rückführung« in ihre Heimat. »Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken.« Nach dieser ethnischen Säuberung sei der Weg frei zur nationalen »Wiedergeburt«, und Deutschland könne wieder jene Großmachtrolle übernehmen, die ihm das geopolitische Schicksal in Europa zugewiesen habe.

Wo der Größenwahn Auslauf hat, schleicht die Paranoia im Schlagschatten hinterher. Der rechte Verfolgungswahn gipfelt in der Behauptung, Deutschland sei von jeher der Sündenbock der Weltgeschichte gewesen, gleichsam das kleine Ithaka auf der großen Weltkarte. Erst fielen die Römer in Germanien ein, dann missionierende Christen. Sie predigten die Feindesliebe, trieben den Deutschen den Kampfgeist aus und »zersetzten« ihren einzigartigen heroischen Charakter. Nach der französischen Revolution überfiel Napoleon des Deutschen Vaterland und versuchte, die romantische Ader herausschneiden, um ihm stattdessen einen seelenlosen Rationalismus einzupflanzen. Kurzum, ständig sei Deutschland von Feinden umzingelt worden. In präventiver Notwehr habe deshalb Adolf Hitler in Polen einmarschieren müssen, um nach der tragischen Unterschätzung des kapitalistisch-kommunistischen Gesamtfeindes ehrenvoll unterzugehen. So sind im rechten Weltbild die Deutschen niemals Täter, schlimmstenfalls Schuldige, in jedem Fall ruhmreicher als der Feind, wie der »Bomben-Holocaust« gegen Dresden beweise.

Moralische Regungen, gar Spurenelemente von historischer Scham sucht man bei »nationalen Denkern« vergebens; sie sind ihnen fremd. Die Vernichtung der europäischen Juden wird von ihnen entweder geleugnet, als »säkulares Verhängnis« relativiert oder mit dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki »verrechnet«. Was auch geschah, Deutschland war nur der Schauplatz für ein Geschehen, das hinter seinem Rücken »zum Austrag kam«. Auch nach 1945. Das neue Rom – gemeint ist Amerika – sperrte Deutschland in die Schwatzbude der Demokratie ein und schleifte es am »Nasenring« der Westbindung durch den Staub der Geschichte. Seit der jüdisch-amerikanischen Gehirnwäsche geisterten die Deutschen als geschichtslose Zombies durch die Welt. Den Rest kann man sich denken. Einsam halte allein die deutsche Rechte Wache in der Götternacht des Nihilismus und leiste Widerstand gegen den »US-Militär-Wirtschafts- und Kulturimperialismus«. Zum Glück habe sie das Schicksal auf ihrer Seite. Seit dem Irakkrieg sinke Amerikas Stern, und die Welt befinde sich im manichäischen Endkampf mit dem »Liberalextremismus«.

Man muss nur eins und eins zusammenrechnen, dann erkennt man, warum die NPD im Osten ihre Mitgliederzahlen vervielfachen konnte. Aus Antikapitalismus und Volksgemeinschaftswahn rührt sie einen braunen Klebstoff zusammen und stellt sich an die Spitze der Globalisierungskritiker. Wie die wohlstandschauvinistische Partei »Die Linke«, mit der sie die Israelfeindschaft teilt, geht sie bei den Verlierern der Schröderschen Reformen auf Stimmenfang. Sie fischt im Sammelbecken der Unterschichten, bei den Chancenlosen und Prekär-Verdienern, die von ihren Billiglöhnen nicht leben können. Einst waren ihnen blühende Landschaften versprochen worden; heute sperrt ihnen der Staat ein Zimmer zu, weil laut Hartz IV ihr Wohnraumanspruch gedeckt ist.

Die Grenze zwischen Konservatismus und Neuer Rechter wird unscharf

Die Demagogie wirkt, nun wählen viele von ihnen NPD. Jede Lücke, die der Abbau sozialstaatlicher Sicherungen aufreißt, wird propagandistisch durch die Ideologie der Volksgemeinschaft gefüllt. Sofort sind die Rechten zur Stelle. Sie versprechen den Verunsicherten einen »sozialistischen Nationalismus«, der den Einzelnen in die Gemeinschaft zurückholt und verhindert, dass er als trauriges Elementarteilchen in einer neoliberalen Privatrechtsgesellschaft sein Dasein fristet. Jede Individualisierung von Lebensrisiken ist für die Rechte ein gefundenes Fressen und eröffnet ihr ein breites Agitationsfeld – was nicht heißt, dass ein »fürsorglicher« Sozialstaat sie zum Schweigen bringt. Denn der Sozialstaat, so tönen sie, sei nur Opium fürs Volk, ein Trick des »Liberalextremismus«.

Leider profitieren rechte Agitatoren davon, dass die Grenzen zum Lager der demokratischen Konservativen unscharf geworden sind. Carl Schmitt, der Kronjurist des »Dritten Reiches« (1888 bis 1985), ist von einer schlagenden Verbindung aus postmodernen und altkonservativen Autoren wieder hoffähig gemacht worden, und die todessüchtige Rittmeister-Prosa des lebenslangen Demokratieverächters Ernst Jünger gilt zwischen FAZ und Welt als große Kunst. Dass Botho Strauß die Langfassung seines Pamphlets Anschwellender Bocksgesang in einer neurechten Zeitschrift veröffentlichte, empfand die einschlägige Szene ebenso als Triumph wie Martin Walsers Schlussstrich-Rede in der Frankfurter Paulskirche. Und Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) plante allen Ernstes, einen ehemaligen Redakteur und Autor der Zeitung Junge Freiheit zum Kultusminister zu ernennen. Dabei ist die Junge Freiheit nichts anderes als ein Auffangbecken der Neuen Rechten.

Was tun? Den Skandal der Republik – die neuen Judenhasser samt ihren intellektuellen Flakhelfern – wird man nicht mit präsidialen Sonntagsreden im Berliner Lustgarten aus der Welt schaffen können. Gesinnungen darf man auch nicht verbreiten. Es wäre schon viel gewonnen, könnte man die Duldungsstarre gegenüber den Stiefelträgern beenden, das Einsickern ihrer Denkweisen in die Alltagswelt, die verbreitete Haltung, Rechtsradikale gehörten nun einmal zur neudeutschen Normalität. Noch entscheidender aber wäre eine Strategie, die den »Führern« von NPD und DVU das Wasser abgräbt und ihre »Politik der Wut« bei der Bevölkerung ins Leere laufen lässt.

Dafür aber benötigen die etablierten Parteien wieder ein Projekt. Sie brauchen eine griffige Alternative zu einer Politik, die nur das ausführt, was ihr die Dynamik entfesselter Märkte vorzugeben scheint: Dumpinglöhne, Steuersenkung für Unternehmen und den Umbau des Wohlfahrtsstaates zum Sozialhilfestaat. Diese verlorene Gestaltungsmacht werden die Nationen nur gemeinsam zurückerobern können. Bis dahin, so schreibt der Politikwissenschaftler Thomas Greven, wird die Rechte erfolgreich im Trüben fischen. Sie ist, schrecklich zu sagen, die einzige »Bewegung«, die ein »Rezept« gegen die Globalisierung bereitzuhalten scheint: Schotten dicht, Ausländer raus, Schutzzölle auf ausländische Waren – »Hegemonie des Deutschen« statt Hegemonie des »jüdischen Geldes«.

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Evola, Julius

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Julius Evola (1898 – 1974) Kulturphilosoph, Antisemit, Wegbereiter des italienschen Faschismus und wichtige Bezugsgröße für heutige rechtsextreme Intellektuelle.

Der Sohn einer sizilianischen Landadelsfamilie findet früh zu futuristischen Künstlerkreisen – der erste Bruch mit dem von ihm bald mehr und mehr verhassten Bürgertum. Im Ersten Weltkrieg kämpft Evola als Artillerieoffizier. Der Futurismus interessiert den in Rom Geborenen später weniger, da es ihnen an echter Innerlichkeit fehlte. Jene vermeintlich spirituelle Tiefe findet Evola in der abendländischen Mystik und östlichen Religionen. Sein Credo: Die moderne Welt bringe den kulturellen Niedergang. Kein Wunder, dass die extreme Rechte Evolas Schriften Mitte der 1990er Jahre neu entdeckte.

1927, mit 25 Jahren veröffentlicht er sein erstes Buch "Versuche über den magischen Idealismus". In jenem Jahr gründet er die "Gruppe von Ur", die auch Riten vollzog, so der Politologe Armin Pfahl-Traughber, die den Mussolinischen Faschismus mit den spirituellen Geist des antiken römischen Imperiums beseelen sollte. 1928 beklagt Evola in "Heidnischer Imperialismus", den kulturellen Niedergang Europas, dessen Ursache er in einer antihierarchischen Haltung ausmachte. Die vermeintlich nordisch-solaren Urtraditionen seien stattdessen die wahre Alternative: "Wir rufen auf zu einer entschlossenen, bedingungslosen, integralen Rückkehr zur nordisch-heidnischen Tradition. Wir machen Schluss mit jeden Kompromiss (...) jeder Nachsicht gegenüber allem was von der semitisch-christlichen Wurzel herkommend, unser Blut und unseren Verstand infiziert hat (...) Anti-Europa, Anti-Semitismus, Anti-Christianismus – das ist unsere Losung".

1934 legt er sein kulturphilosophisches Hauptwerk "Revolte gegen die Moderne" vor. Wieder betont Evola, dass mit dem Übergang von der traditionellen zur modernen Welt ein kultureller Verfall einherginge, denn die transzendente Dimension gehe in Gesellschaft und Politik verloren. "Die Vorstellung, dass der Staat seinen Ursprung im Demos hätte", also im Volk, nennt Evola "eine ideologische Perversion". Eine Revolte sei nötig, um ein sakral legitimiertes Königtum mit Kastenwesen einzuführen.

Schon in den 1920 Jahren hat er Kontakt zur faschistischen Bewegung in Italien. Seine Visionen und Thesen gefallen aber nicht immer. Als Ideenlieferant schreibt er dennoch in regimetreuen Zeitungen wie "Il Regime Fascista" und wirkt an der "Scuola Mistica del Fascismo" (Mystische Schule des Faschismus) mit. 1944 flieht er vor den Alliierten nach Wien, wo er bei einem Bombenangriff schwer verletzt wird. Bis zu seinem Tod bleiben die Beine gelähmt.

Ab 1949 schreibt er wieder für rechtsextreme Zeitungen. 1953 erscheint sein Werk "Menschen inmitten von Ruinen", wo er wieder anmerkt: "So ist jede Demokratie in ihren eigenen Prinzipien eine Schule der Immoralität, eine Beleidigung er Würde und inneren Haltung". 1961 folgt sein Buch "Den Tiger reiten". Hier wiederholt er nicht bloß das Beklagen des Niedergangs, sondern entwirft die Botschaft des Widerstehens durch Haltung und Tradition: "Handele so, dass dasjenige, dem du nichts anhaben kannst, auch dir nichts anhaben kann".

Der Appell des Widerstands fand besonders in der intellektuellen extrem-rechten Szene großen Widerhall. Im extrem-rechten Arun Verlag wurden seine Werke Mitte den 1990er Jahre neu veröffentlicht. Aber auch in der rechten Dark-Wave-Szene folgten musikalische Reminiszenzen. Umberto Eco sieht in ihm einen "faschistischen Guru".

Literatur

| Armin Pfahl-Traughber: "Konservative Revolution" und "neue Rechte", Opladen 1998.

| Jan Raabe/Andreas Speit: L'art du mal. In Andreas Speit: Ästhetische Mobilmachung. Dark-Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien, Hamburg/Münster, 2002.

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Moeller van den Bruck, Arthur

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Arthur Moeller van den Bruck (1876 – 1925) früher Theoretiker der Konservativen Revolution und ein wichtiger Ahnherr der heutigen „Neuen Rechten“.

Den Erfolg seines Buches "Das dritte Reich" konnte Moeller van den Bruck nur für kurze Zeit auskosten. Erst 1923, also zwei Jahre vor seinem Tod, hatte der in Solingen Geborene sein politisches Hauptwerk vorgelegt. 1931 erschien es bereits in dritter Auflage, für die damaligen Verhältnisse ein außerordentlicher publizistischer Erfolg. Bis heute gilt er als einer der wichtigsten frühen Theoretiker der "Jungkonservativen" aus dem Spektrum der "Konservativen Revolution"– eine politische Geistesströmung, die nichts anderes wollte als der verhassten Weimarer Republik ein konservativ-revolutionäres Ende zu bescheren.

Die „Konservativen Revolutionäre“ formierten sich nach dem Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches 1918/1919: Zum einen in Abgrenzung zu der als reaktionär verachteten Monarchie, zum anderen in Ablehnung der als anti-deutsch verhassten Demokratie. Den Versprechen der Französischen Revolution "Liberté, Egalité, Fraternité" stellten sie die Hoffnung auf alte-neue Werte entgegen. In "Das dritte Reich" (bei ihm hat die NSDAP diesen Begriff entlehnt) führt Moeller van den Bruck aus: "Der Konservative Mensch sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist. Er ist notwendiger Erhalter und Empörer zugleich. Er wirft die Frage auf: was ist erhaltenswert? Aber er sucht auch (...) anzuknüpfen, nicht abzubrechen – wie der revolutionäre Mensch". Getreu der Parole: "Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnen".

In der ersten Hälfte der 1920er Jahre wurde Moeller van den Bruck - der 1902 nach Paris gegangen war, um sich dem Militärdienst zu entziehen - zur wichtigsten Figur bei den Organisationen der "Jungkonservativen". Nachträglich, 1907, leistete er seinen Dienst als Landsturmmann und in der Propagandaabteilung der Obersten Heeresleitung ab. In deren Auftrag schrieb er 1919 auch "Das Recht der jungen Völker", in dem er sich für eine natürliche Weiterentwicklung Deutschlands stark machte. Denn trotz der Niederlage im Ersten Weltkrieg sei Deutschland ein junges Volk. Im "Juni-Klub", einem jungkonservativen Netzwerk, traf er 1922 Adolf Hitler. Der Theoretiker soll bei dem Gespräch mit dem späteren Führer reserviert gewesen sein – das intellektuelle Niveau Hitlers enttäuschte ihn.

In „Das dritte Reich", das zur konservativ-revolutionären Programmschrift wurde, behauptete Moeller van den Bruck, Demokratie müsse sich an der biologischen Zugehörigkeit, dem Blut, orientieren. Der Politologe Armin Pfahl-Traughber kommentiert: Moeller van den Bruck „formulierte eine gegen parlamentaristische und parteienpluralistische Prinzipien gerichtete Kritik, diffamierte Individualismus und Liberalismus". Nicht unüblich für die Konservativen Revolutionäre wird das von ihm angestrebtes "Dritte Reich" nur vage umrissen – beschoren werden jedenfalls eine entscheidungsstarke Elite und eine geschlossene Volksgemeinschaft.

Moeller van den Bruck beging 1925 nach einem Nervenzusammenbruch in Berlin Selbstmord. Bei neu-rechten Intellektuellen sind seine Ideen heute weit verbreitet

Literatur

| Armin Pfahl-Traughber: "Konservative Revolution" und "Neue Rechte", Opladen, 1998.

| Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt, 1993.

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Verzweifelte Sinnsuche in der Urania

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Es will das "Reemtsma-Institut von rechts sein“. Im "Institut für Staatspolitik“ tauschen sich die extrem rechten Intellektuellen aus. Bei einer Tagung in Berlin ging es zu wie bei einem Esoterik-Seminar.

Von Marie von Mallinckrodt

Im holzvertäfelten Raum ohne Fenster sind alle Freunde, die Welt draußen ist der Feind. Denn diese Welt ist schlecht. Deswegen hat das national-konservative „Institut für Staatspolitik“ an diesem Samstag zum „Widerstand“ geladen – so heißt die Tagung in der bekannten Berliner Bildungsstätte Urania. 250 Männer und einige wenige Frauen sind gekommen, um sich in Erinnerung rufen zu lassen, was Karl Marx schon vor über hundert Jahren gesagt hat: Die kapitalistische Gesellschaft ist eine elendige. Einer der Vortragenden stellt fest: „Wir stehen kurz vor dem Untergang.“

Karl Marx bei einer Tagung bekennender National-Konservativer in der renommierten Berliner Bildungsstätte Urania? Dieses unwahrscheinliche Trio ergab am Wochenende eine amüsante Hauptstadtposse: Ein paar Polizisten bewachten, etwas ratlosen Blickes, den Tagungssaal der rechten Intellektuellen. Im Saal nebenan fand zeitgleich ein Theater-Workshop für Schulkinder statt. Der Direktor der Urania, Ulrich Bleyer, zeigte sich sehr genervt, dass nun ein Institut hier tagte, dem man nachsagt, es tummelten sich dort auch Rechtsextreme. „Wir vermieten im Jahr mehrere hundert Veranstaltungsräume und haben nur fünf Mitarbeiter. Das ist uns durchgerutscht.“ Das nächste Mal, so hält er fest, gäbe es dann eben keinen Raum mehr zu vermieten.

Was er lapidar als seinen „kleinen Problemfall“ bezeichnet, scheint auch sonst eher klein zu sein. Die vom Institut veröffentlichte vierteljährliche Zeitschrift „Sezession“ hat gerade einmal eine Auflage von 3500 Exemplaren. Der einzige Polit-Glanz des Tages: Alain de Benoist, der französische Vordenker der Neuen Rechten. Der wird angekündigt wie der Regierende Bürgermeister auf dem Sommerfest der Berliner Stadtreinigung.

Doch Benoists Worte sind weder rechts noch links, sie sind einfach nur langweilig. Er spricht über „Identität“ – und dazu verrät er nicht viel mehr, als dass das kapitalistische System die Menschen zu leblosen Objekten gemacht habe. „Die kapitalistische Ordnung ist nihilistisch“, sagt Benoist. Der Berliner Rechtsintellektuelle Frank Lisson, ein gern gesehener Autor bei der Zeitung „Junge Freiheit“, macht in seinem Vortrag „totalitäre Strukturen“ in Deutschland aus. Wir lebten in einem Land der Gleichmacherei, so Lisson. Und: „Die meisten derer, die Meinung machen sind Linksextremisten.“ Dann beklagt er noch den „defätistischen CDU-Realismus“ und spricht von der deutschen Zivilreligion, „deren anzubetender strafender Gott Auschwitz heißt.“ Die Quintessenz seiner hilflosen Anklage: Wir würden allesamt zu „Psychokrüppeln“ erzogen.

Es ist die Rhetorik des „Die-da-draußen“ und „Wir-hier-unter-uns“, die sich durch die Tagung zieht wie ein roter Faden. Daher konzentriert sich einer der Leiter des „Instituts für Staatspolitik“, Götz Kubitschek, auf den ganz aktiven Widerstand, der in der so genannten „konservativ-subversiven Aktion“ gipfeln soll. Diese klingt wie ein Selbstheilungsprogramm. „Die Provokation lässt mich mein Ich spüren“, sagt Kubitschek ins Publikum. So ist er zum Beispiel vor zwei Monaten mit einem Megaphon in die Berliner Humboldt-Universität gelaufen und hat mit einigen Mitstreitern einen Hörsaal gestürmt, wo ein 68er-Kongreß stattfand. Das tat gut.

Im Institut, das eng mit der Zeitung "Junge Freiheit" verbunden ist, trat auch schon einmal Martin Hohmann als Referent auf. Es ist vor acht Jahren vom Historiker Karlheinz Weißmann gegründet worden, für "außerparteiliche" Bewusstseinsarbeit. In der Urania wirkt es wie irgendetwas zwischen Esoterik-Seminar und Selbsthilfegruppe. Ein Teilnehmer fasst es am Ende enttäuscht zusammen: „Ich wüsste nicht, was ich mit nach Hause nehmen soll.“ Eine politische Zielrichtung der deutschen neu-rechten Denker war nicht erkennbar.

Vielleicht ist es also gar nicht so schlimm, dass Medienvertreter bei solchen Veranstaltungen unerwünscht sind. Die wollte sich Organisator Kubitschek nämlich vom Hals halten. Vorab hat er sie per E-Mail in die Irre geführt, mit einer falschen Adressangabe: „Ich habe Ihre Anfrage für eine Teilnahme als Journalistin an unserem 16. Berliner Kolleg erhalten. Ich akkreditiere Sie hiermit und bitte Sie, um 10.00 Uhr in die Katholische Akademie, Hannoversche Straße (Ecke Friedrichstraße) zu kommen.“ Die Urania ist in einem anderen Stadtteil.

Ressorts (Netz gegen Nazis):

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Trends bei Nazi-Internetaktivitäten 2009: Am gefährlichsten sind Netz-Nazis, wenn sie subtil bleiben

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Nazis im Netz werden einerseits in der Anonymität des Internets aggressiver und sorgloser, andererseits bemühen sie sich um harmloses Auftreten, um Rassismus oder Antisemitismus als akzeptable Meinung zu verkaufen - und werde damit sogar als News-Quellen bei Google gelistet. Besonders die derzeit im Internet beliebten "Zensur"-Diskurse sind anschlussfähig für rechtsextremes "Meinungsfreiheits"-Gezeter.

Von Simone Rafael

Was machen Nazis im Internet? Handel treiben, Veranstaltungen bewerben, sich selbst darstellen, Vernetzung vorantreiben, sich amüsieren und die eigene Ideologie möglichst breit gefächert auf dem virtuellen Marktplatz der Meinungen zu verbreiten – also eigentlich das gleiche wie alle anderen. Allerdings ist ihr Inhalt Hass, Rassismus, Menschenverachtung, der Kampf gegen Menschenrechte und Demokratie. Dies verbreiten Netz-Nazis mit großer Unermüdlichkeit. Und das am liebsten unter dem Deckmäntelchen der „Meinungsfreiheit“, die Nazis ständig bedroht sehen, wenn jemand gegen sie vorgeht.

Eine Argumentation übrigens, mit der Rechtsextreme die Teile der Netzcommunity, die sich selbst durch „Zensursula“ und Co. bedroht sehen, überraschend schnell auf ihre Seite bekommen. Der geneigte Leser betrachte nur einmal die Diskussionen auf den Foren der Piratenpartei zum Thema.

Durch die Anonymität des Internets steigt bei den Neonazis die Aggressivität in Wort und Bild. Das ist auf zahlreichen Nazi-Webseiten zu beobachten, deren Gestaltung immer martialischer und gewaltverherrlichender wird. Auch (virtuelle) Angriffe auf Andersdenkende gewinnen an Schärfe – wie etwa Nazi-Seiten, die mit Adressangabe zur Gewalt gegen Andersdenkende aufrufen. Auch der Ton der Emails von unermüdlichen und oft mit wenigen Deutschkenntnissen begabten Netz-Nazis, mit denen Redaktionen wie netz-gegen-nazis.de oder mut-gegen-rechte-gewalt.de zugemüllt werden, wird seit Jahren kreischiger(„Könnt schon mal die Koffer packen und nach Auschwitz ziehen, dann habt ihr nicht mehr so einen weiten weg!“, „Wollt Ihr Judenschweine getötet werden ???? Es ist kein Problem !!!!“).

Die wachsende Begeisterung der Rechtsextremen für das bei ihnen als „Weltnetz“ bezeichnete Medium ist verständlich. Bei Netz-Nazis paart sich der ihnen eigene Fanatismus mit dem Gefühl, im Internet endlich Meinung bilden zu können, wie es im wirklichen Leben– wegen mangelnder Rhetorik oder mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz – niemals möglich wäre. Deshalb ist die Entwicklung folgerichtig, dass intelligentere Neonazis versuchen, Diskurse etwa in Foren, Chat oder auf Pinnwänden sozialer Netzwerke an sich zu reißen, Themen zu verschieben, Andersdenkende zu verdrängen und politische Gegner anzupöbeln.

Doch wie im wirklichen Leben werden auch im Internet demokratische Menschen nach Schrecksekunden wehrhafter. User und Userinnen fordern von Internet- und Community-Anbietern immer massiver Schutz vor Anfeindungen und Hetze, melden Hass-Postings und Nazi-Nutzer. Und nach Jahren der Sensibilisierung reagieren viele Websites inzwischen, sperren Rassisten und Antisemiten oder versuchen, den Handel mit Rechtsextremen zu unterbinden – auch wenn die Unsicherheiten oft groß sind, wo Rechtsextremismus anfängt.

Es ist kein Wunder, dass extrem Rechte diese Unsicherheiten ausnutzen. Und so entstehen Blogs , die mit harmloser Aufmachung einen kritisch-konservativen Hintergrund suggerieren – ohne es in den veröffentlichten Artikeln an Deutlichkeit fehlen zu lassen. „Deutschlandpolitik“ ist ein solcher Blog. Das dezente Nachrichten-Layout wird mit bunten Bildern von Leuchttürmen, der Binnenalster oder dem Kölner Dom aufgelockert. Darunter das Bild einer lachenden Blondine mit Deutschlandfahne, dass entfernt an das weiß-blonde Deutschen-Bild von NPD-Plakaten erinnert, aber auch noch harmlos sein könnte. Eine solche Seite wird denn auch anstandslos bei „Google News“ als Nachrichtenquelle aufgeführt. Allerdings listet „Google News“ inzwischen auch etliche NPD-Seiten als Newsquellen. Die haben allerdings den Vorteil, dass der Absender klar zu erkennen ist.

Beim „Deutschlandpolitik“-Blog, der ohne Impressum geführt wird, erhellt ein Blick in die Linkliste die Stoßrichtung - wenn Leserin oder Leser in bisschen Hintergrundwissen besitzt: Dort finden sich die neu-rechte Zeitung „Junge Freiheit“, deren Berichterstattung ebenfalls in der Grauzone zwischen konservativer Kritik und Rechtsaußen-Ideologie verortet ist, das DVU-nahe, explizit rechtsextreme Nachrichtenportal „Gesamtrechts.tk“, der Kopp-Verlag, in dem Verschwörungstheoretiker wie der rechtsextreme Jan Udo Holey veröffentlichen oder die rassistisch-antiglobalistische Website „Radio Freiheit“.

Thematisch geht es um Rassismus, der nicht offen benannt wird, aber Ausdruck findet in reißerischen Darstellungen von „Ausländerkriminalität“ oder der „Islamisierung Europas“ und Berichten, wie Migranten die Sozialsysteme belasteten. Zudemgeht es um die "Reinhaltung""deutscher" Kultur und Sprache sowie Patriotismus und Nationalismus allgemein, gegen „linke Gutmenschen“ und, wie oben erläutert, aufgrund persönlicher Betroffenheit und perfekter Anschlussfähigkeit an Mehrheitsgesellschaftsdiskurse natürlich gegen Internetzensur . Wer sich die Mühe machen möchte, findet – über die Blogsuche der Seite – noch zahlreiche neurechte Blogs und Websites, neben dem antisemitisch-fundamentalistischen „Kreuz.net“ oder der NPD-Publikation „Deutsche Stimme“ oder dem DVU-Pendant „National-Zeitung“. Gemeinsam ist den Blogs, dass strafrechtlich Relevantes auf ihren Seiten nicht zu finden ist –ihnen kann also nur inhaltlich, nicht juristisch begegnet werden. Dafür klagen manche von ihnen gern.

Ebenfalls prominent verlinkt ist auf der „Deutschlandpolitik“-Seite übrigens „Metapedia“, die rechtsextreme Antwort auf das usergestützte Online-Lexikon „Wikipedia“. Auch eine Nazi-Facebook-Version namens „NS-Treff“ gibt es bereits. Das die Arbeit von journalistischen Internetportalen oder Magazinen gegen Rechtsextremismus die Szene ärgert, ist übrigens auch an Spiegelungen im Internet zu erkennen: Es gibt inzwischen „Mut-gegen-linke-Gewalt“, „NID-Info-Blog“ („NetzInformationsDienst“, Pendant zum NPD-Info.Blog), „Blick nach links“ und das „Netz gegen linke Gewalt“.

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Neu-rechtes "Institut für Staatspolitik" schult NPD-Kader und findet das prima

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Das Institut für Staatspolitik (IfS) gilt als der wichtigste „Think Tank“ der Neuen Rechten in Deutschland. Einer der Gründer des IfS prahlte jetzt im Blog der hauseigenen Zeitschrift Sezession damit, dass auf den von ihnen veranstalteten „Akademien“ NPD-Kader und andere Rechtsextremisten hervorragend geschult würden.

Von Jan Riebe

Das IfS verortet sich selber in der „Neuen Rechten“, also in einer äußerst rechten politischen Strömung, die es aber als Fehler ansieht sich einer Vergötzung des „Dritten Reichs“ hinzugeben – aus inhaltlichen, aber auch aus taktischen Gründen. Vielfach wird die „Neue Rechte“ in der Grenzregion zwischen nationalem Konservatismus und extremer Rechter eingeordnet. Lange Zeit haben die Institutsmitglieder großen Wert darauf gelegt, nicht zu direkt mit der NPD in Verbindung gebracht zu werden. Diese Zurückhaltung gibt das IfS zunehmend auf. So bewirbt die Sezession des Öfteren das rechtsextreme Theorieblatt hier&jetzt, das im Umfeld der sächsischen „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), der Nachwuchsorganisation der NPD, erscheint. Umgekehrt bewirbt auch hier&jetzt das IfS und stellt deren Bücher seinen LeserInnen vor.

Schulung von Rechtsextremisten

Ein wichtiger Bestandteil neurechter Politik ist die politische Mimikry, also die Tarnung der eigenen politischen Absichten und Ansichten, um sich politisch und gesellschaftlich nicht gleich ins Abseits zu manövrieren. Daher darf es durchaus ein wenig verwundern, wie offenherzig IfS-Gründungsmitglied Götz Kubitschek über die Schulung von hochrangigen NPD-Mitgliedern und anderen Rechtsextremen plauderte.

Hintergrund seines Blogbeitrags: Die „Burschenschaftlichen Blätter“, Organ der Deutschen Burschenschaft, hatte erstmals ein Interview mit einem Bundesbruder veröffentlicht, der zugleich ein Funktionär der NPD ist. Das Interview mit Arne Schimmer, seines Zeichen Alter Herr der Burschenschaft „Dresdensia-Rugia“ zu Gießen und sächsischer NPD-Landtagsabgeordneter, stieß bei Kubitschek auf helle Begeisterung. Kubitschek ließ es sich nicht nehmen, sich und dem IfS die Lorbeeren für das aus seiner Sicht sehr gelungene Interview zuzuschreiben. So schrieb Kubitschek: „Nach der Lektüre steht fest: Die beiden Interviewer F. Roland A. (!) Richter sowie Jörg Haverkamp II (!) schaffen es nicht, ihren Verbandsbruder Arne Schimmer des offenen oder latenten Nationalsozialismus zu überführen oder ihn davon zu überzeugen, daß er mit seiner politischen Verortung keinen Platz mehr in der Deutschen Burschenschaft haben könne – wie auch: Schimmer war immerhin ein paar Mal auf einer Akademie unseres Instituts. Prägende Tage, Vorträge und Gespräche, will ich meinen, vermutlich auch für ihn.“ Im Umkehrschluss hieße das nichts anderes, als das Arne Schimmer ohne die Schulungen auf den Akademien des IfS durchaus des offenen oder latenten Nationalsozialismus hätte überführt werden können.

Das IfS veranstaltet seit gut zehn Jahren jährlich jeweils eine sogenannte Sommer- und Winterakademie. Die Akademien stehen unter einem Leitthema, zu dem verschiedene Referenten aus dem konservativen bis sehr rechten Milieu referieren. An den Akademien nehmen 30-35 ausgesuchte Personen als Schüler teil. Kubitschek machte in einem Interview mit der NPD-Postille „Deutsche Stimme“ deutlich, welche Schüler an den Akademien teilnehmen können: „Unser Institut konzentriert sich nicht auf diejenigen, die wir dort abholen müssen, wo sie stehen, sondern auf junge Leute, die einen ersten, großen Schritt auf uns zu gemacht haben. [...] Wir schauen uns - vor allem für die kleinen Runden bei uns auf dem Rittergut [gemeint sind die Akademien – Anmerkung J.R.] - die Teilnehmer genau an, und mancher wird nicht ein zweites Mal eingeladen.“ Arne Schimmer wurde mehrmals wieder eingeladen, er entspricht anscheinend ziemlich genau dem Bild eines jungen Rechten, den das IfS ansprechen möchte. Er ist jedoch kein Einzelfall, auch andere NPD-Landtagsabgeordnete und JN-Kader werden beim IfS geschult. Dass dies bei einzelnen Teilnehmern der Akademien auch auf Kritik stößt, ist für Kubitschek nicht nachvollziehbar: „Neulich hat uns doch glatt wieder einer vorgeworfen: daß wir wohl nichts dagegen hätten, wenn da einer von der JN oder sogar direkt aus dem Landtag bei uns zur Schulung anrücke. Die Antwort ist recht simpel: Erstmal sind das keine Schulungen oder Kaderveranstaltungen, sondern echte preußische Oberseminare ohne Gesinnungsdunst und Bierradikalismus. Und zweitens werden wir uns nie daran gewöhnen, daß der Austausch und das Gespräch egal mit wem irgendein Problem sein sollte.“ Kaum hatte Götz Kubitschek diesen sehr aufschlussreichen Blogbeitrag veröffentlicht, nahm er ihn auch schon wieder von der Seite herunter. Kubitschek zensierte Kubitschek. Stunden später erschien der Blogbeitrag erneut, allerdings radikal gekürzt um die zitierten Passagen. Die politische Mimikry hatte mal wieder gesiegt.

Ziel: Elitenwechsel

Doch was soll diese Schulung von NPD- und JN-Kadern? Ziel ist es nicht, in der Tagespolitik zu intervenieren, da wäre die NPD auch ein denkbar schlechter Ansatzpunkt. Was die Neue Rechte interessiert, ist die Metapolitik. Es geht darum, bei meinungsbildenden Themen zu intervenieren und die eigenen Vorstellungen diskursfähig zu machen, und mittelfristig die Meinungsführerschaft zu erlangen. Um dies zu erreichen, bringt das IfS Publikationen heraus, veranstaltet die erwähnten Schulungen und Vorträge in verschiedenen Städten. Zudem versuchen die AutorInnen der Neuen Rechten, im Regelfall sind es aber Männer, außerhalb ihrer eigenen Publikationen ihre Meinung unterzubringen. So veröffentlichte Karlheinz Weissmann, Mitbegründer des IfS und ein Aushängeschild der Neuen Rechten, seine Beiträge auch mal in der FAZ oder im Deutschlandfunk. In diesem Zusammenhang geht es der Neuen Rechten auch um Einflussnahme bei Parteien. Bislang war für das IfS vor allem die CDU von Interesse, nun scheint auch die NPD interessant geworden zu sein. Ziel dieser Strategie ist es einen „Elitenwechsel“ in Deutschland herbeizuführen.

Wie ein solcher Elitenwechsel dann vonstattengehen kann formuliert Karlheinz Weissmann sehr deutlich: „Es geht um Einsicht, wirkliche Einsicht haben nur Wenige. Das kann nur eine Elite betreffen, es ist absurd zu behaupten, dass plötzlich Millionen von Menschen die tatsächlichen Zusammenhänge begreifen. Für einen Elitenwechsel bedarf es einer heiklen Situation, in der ein Wechsel möglich ist. Wenn es da zu einer krisenhaften Zuspitzung kommt, dann zerbricht das bestehende Gefüge insgesamt. Und das ist im Grunde genommen die einzige Möglichkeit, in der ich einen Elitenwechsel für realistisch halte. Für die Konservativen ist wichtig, dass man eine derartige Situation in den Blick nimmt, sich darauf vorbereitet.“

Das IfS arbeitet auf diesen angestrebten Elitenwechsel hin. Für sie sollen allem Anschein nach NPD-Funktionäre wie Arne Schimmer Teil einer zukünftige Elite sein. Da ist es kein Widerspruch, dass große Teile der NPD beim IfS nach wie vor auf große Ablehnung stoßen, eben auch weil sie allzu offen und platt den Nationalsozialismus verehren und nicht so geschickt wie Arne Schimmer argumentieren können.

Umzug nach Berlin?

Unterdessen hat der neue Chef des IfS, Erik Lehnert, angekündigt, dass der Umzug der rechten Denkfabrik nach Berlin geplant sei. Hier erhofft man sich mehr „Laufkundschaft“ und bessere Ausstrahlungskraft der eigenen Inhalte. Derzeit gucke man sich nach geeigneten Immobilien um, so Lehnert. Spätestens in fünf Jahren will das IfS in Berlin ansässig sein. Sollten sich die Finanzprobleme der NPD noch weiter zuspitzen, so wird vielleicht demnächst in Köpenick eine Immobilie frei, die das IfS interessieren könnte.

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Anders Breivik als Theoretiker und Propagandist der Neuen Rechten

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Bei der Diskussion um den Massenmord in Norwegen gilt es festzuhalten: Anders Behring Breivik ist ein politischer Attentäter. Ein Propagandist der Tat.

Von Alan Posener

Das schließt nicht aus, dass er auch ein Psychopath ist. Jedoch darf die möglicherweise gerichtlich relevante Frage seiner geistigen Verfassung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den Anschlägen in Norwegen um eine politische Aktion handelte.

Um meinen Standpunkt anhand eines historischen Beispiels deutlicher zu machen: In meinem ersten Semester an der Universität lernte ich – flüchtig – Ulrike Meinhof kennen. Das war kurz vor ihrem Untertauchen.

Ich gewann damals den Eindruck, dass sie schwer gestört war. Und womöglich muss man, um das zu tun, was die RAF-Leute getan haben, sich in einem psychisch anormalen Zustand befinden.

Allerdings kamen die Gerichte in allen bundesdeutschen Terror-Verfahren zum Ergebnis, die Angeklagten seien durchaus schuldfähig. Und auch die bundesdeutsche Neue Linke betrachtete und betrachtet die RAF als Teil von sich; sei es, dass einige damals „klammheimliche Freude“ über die Morde der „Genossen der RAF“ empfanden, sei es, dass einige „Solidarität mit den politischen Gefangenen“ übten, sei es, dass viele heute im Rückblick erschauern, weil sie eben einen Zusammenhang zwischen radikalem Denken und radikalen Handlungen erkennen.

Ideen haben Konsequenzen. Worte haben Folgen. Wer diesen Zusammenhang nicht sehen will, gilt heute nicht einmal in linken Kreisen als wirklich ernst zu nehmen.

Umso bezeichnender ist es, dass die neurechten Maulhelden, aus deren Dunstkreis Anders B. hervorging, und die ihn zu den Ihren zählten, bevor er das Maulheldentum satt hatte und zur Propaganda der Tat schritt, nun gar nichts mit ihm zu tun haben wollen, keinen Gedanken auf Selbstkritik verwenden, sich vielmehr in bekannter Manier wehleidig schon jetzt als Opfer des linken „Mainstreams“ und jener „Kulturmarxisten“ hinstellen, die Anders B. absolut folgerichtig seinerseits als Opfer heraussuchte. (Mit seinen Mentoren hatte er nämlich auch gemeinsam, dass „der Islam“ als Feind eine abstrakte Chiffre bleibt, während der eigentliche Hass denjenigen gilt, die verdächtigt werden, den Islamisten den Weg zu bereiten. Eine Haltung, die wir vom Stalinismus und vom McCarthyismus her kennen.)

Dabei waren sie – die Kritiker linken „Gutmenschentums“ – immer schnell dabei, wenn es darum ging, „den 68ern“ vorzuwerfen, ihre Ideen hätten zum Terror geführt.

Die Muslimfeinde, deren Ideen Anders B. zu seiner Tat bewegten, sind auch bei jeder islamistischen Terrortat immer schnell mit der Forderung zur Hand, „die Muslime“ müssten sich davon eindeutig und glaubhaft distanzieren.

Und natürlich geht ihnen keine Distanzierung je weit genug. Die Forderung, auch sie müssten sich nun glaubhaft von der Tat des Anders B. distanzieren, weisen sie hingegen weit von sich.

Aber es gibt natürlich einen Zusammenhang zwischen dem Islam und dem spezifisch islamischen Terror, und es ist darum richtig, dass Imame und Sprecher der Muslime nicht nur die jeweiligen Taten verurteilen, sondern auch jene spezifische Perversion des Islam, die zum Terror führt, ausdrücklich und offen verurteilen.

Und es gibt einen Zusammenhang zwischen der Neuen Rechten und den Terror-Attentaten in Norwegen. Ideen haben Konsequenzen. Worte haben Folgen. Wer das leugnet, verwirkt den Anspruch, ernst genommen zu werden.

Anders B. hat sich selbst sehr eindeutig in der neurechten Szene verortet und einige sehr interessante Bemerkungen zur Theorie und Praxis dieser Bewegung gemacht. Auf S. 13 seiner gesammelten Beiträge für „Document No“ schreibt er – ich übersetze aus der schlechten, womöglich maschinellen englischen Übersetzung:

„50 Jahre Anstrengungen der ethnozentrischen Organisationen / Bewegungen (1960 – 2009) haben zum völligen Scheitern geführt. Wir wissen das, und eine weitere Fokussierung auf diese Strategien wird nur kontraproduktiv sein und der norwegischen und europäischen konservativen Bewegung schweren Schaden zufügen.“

Unter „ethnozentrischen“ Organisationen versteht Breivik die Alte Rechte, die explizit rassistisch und explizit antisemitisch ist. Als Beispiel nennt er die British National Party / National Front. Solche Organisationen würden nie mehr als 10 Prozent der Bevölkerung hinter sich vereinen können.

„Man kann Rassismus (Multikulti) nicht mit Rassismus bekämpfen“, schreibt er. „Der Ethnozentrismus ist also genau dem entgegengesetzt, was wir erreichen wollen.“ Stattdessen müsse man die „Wiener Schule“ als „ideologische Basis“ wählen: „Das bedeutet Widerstand gegen Multikulturalismus und Islamisierung (aus kulturellen Gründen). Alles ideologische Argumente, die auf Antirassismus beruhen.“

Dies ist eine äußerst interessante Stelle. Denn wir wissen ja, dass Anders B. als Ziel ein ethnisch homogenes, ideologisch auf einem strengen Christentum und einem ausgeprägten Nationalbewusstsein beruhendes Gemeinwesen vorschwebt – also etwa das Gleiche, was die Alte Rechte will. Jedoch hält er es aus taktischen Gründen – weil expliziter Rassismus nicht mehrheitsfähig ist – für sinnvoller, gegen Islamisierung und Multikulturalismus zu argumentieren, und zwar „aus kulturellen Gründen“, ja den Kampf als „Antirassismus“ hinzustellen und den Muslimen und Multikulturalisten einen – gegen die Europäer gerichteten – Rassismus vorzuwerfen.

„Dies hat sich als sehr erfolgreich erwiesen und erklärt, weshalb die moderne kulturkonservative Bewegung bzw. kulturkonservative Parteien, die die Wiener Denkschule anwenden, so erfolgreich sind: die (norwegische) Fortschrittspartei, Geert Wilders und viele andere.“

Damit hat Breivik das schmutzige kleine Geheimnis dieser Leute ausgeplaudert. Ihr Ziel ist das gleiche wie jenes der alten Neonazis. Aber sie halten es für geschickter, sich als Antirassisten, Verteidiger der Demokratie, Freunde Israels usw. zu tarnen.

Was übrigens den angeblichen Philosemitismus der Neuen Rechten angeht: Ganz abgesehen davon, dass Juden instinktiv – und aus Vernunftgründen – gegen den Nationalismus, gegen ethische, religiöse und kulturelle Homogenität sind, weshalb schon die Ziele dieser Bewegung implizit antisemitisch sind: Indem Breivik immer wieder auf den „Kulturmarxismus“ Schimpft, den er in seinem Manifest explizit mit der Frankfurter Schule in Verbindung bringt, belebt er ein altes, aber noch virulentes antisemitisches Klischee der Alten Rechten und Neonazis, denen zufolge Adorno, Horkheimer, Marcuse und Co. mit ihren Theorien die moralische Widerstandskraft der Deutschen und der Europäer gegen die Kulturhegemonie des verjudeten Amerika brechen wollten.

Dies war übrigens in konservativen Kreisen eines der Hauptargumente gegen die sich auf Adorno, Horkheimer, Marcuse, Reich und Freud sich berufenden 68er.

Es ist nicht ganz klar, was Breivik mit „Wiener Schule“ meint. Zuweilen wird auf das Blog „Gates of Vienna“ verwiesen, wo der von Breivik oft zitierte Blogger „Fjordman“ postet. (Der reagierte auf bezeichnende Weise, indem er schrieb, er sei kein Extremist, es sei denn, man betrachte „eine starke Verpflichtung zur Wahrheit“ als Extremismus.

Und die Wahrheit sei nun einmal, dass ein Bürgerkrieg gegen den Islam bevorstehe. Er habe am Wochenende nach dem Attentat nichts weiter getan als alte Filme geguckt, einen neuseeländischen Pinot Noir getrunken und ein Buch über mittelalterliche Geschichte gelesen, und dies sei „das Extremste, was ich an einem Durchschnittswochenende mache“. Der „Fjordman“ als Nerd: aber das ahnten wir schon, und Anders B. vermutlich auch.)

In österreichischen Medien wird eher vermutet, mit „Wiener Schule“ sei das Modell FPÖ gemeint. Ich halte das auch für wahrscheinlich. Andererseits ist es nicht so wichtig, weil die Übergänge von radikalen Bloggern zu radikalen Parteien zu nicht ganz so radikalen Bloggern, die aber der Meinung sind, diese radikalen Parteien hätten doch nicht ganz Unrecht oder müssten doch wenigstens sagen dürfen, was sie meinen, fließend sind.

Es ist Zeit, dass diese Grenzen klarer gezogen werden. Jeder, der bislang mit den Ideen der Neuen Rechten geflirtet hat, ist gefordert, das Beleidigtsein aufzugeben und sich klar für die offene Gesellschaft und gegen ihre Feinde zu positionieren: Hic Rhodus, hic salta.

Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog starke-meinungen.de. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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Neue Rechte plant Tagung in Berlin

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Medien und Politiker*innen reißen gezogene Linien zwischen Konservativen und Neurechten ein. Möchtegern-Elite und Internethetzer kommen sich näher. Verschwörungsideologen*innen und neurechte Akteure*innen treffen sich zunehmend auf Veranstaltungen. Für Oktober wird eine "Freie Messe" in Berlin zur Vernetzung einer breiten nicht NS-bezogenen Rechten angekündigt, wie sie es vorher noch nicht gab.

Von Roland Sieber

Die Fixierung auf die Gegnerschaft von Multikulturalismus und "Linksextremismus" eint die nicht NS-bezogene Rechte: Ursache allen Übels sei die "falsche" Toleranz des Linksliberalismus der 68er. Dieses gemeinsame Feindbild ist auch das Scharnier zum Rechtskonservatismus.

Mit seinem Kommentar "Ende der Sozialromantik" zum Pogrom von Rostock-Lichtenhagen riss der verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik der konservativen FAZ, Jasper von Altenbockum, die mühsam errichtete Brandmauer zur "Neuen Rechten" ein. Dem rassistische Mob, der im August 1992 die Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Lichtenhagen in Brand steckte und stundenlang die Feuerwehr daran hinderte, Menschen aus dem brennenden Gebäude zu retten, gewinnt Altenbockum positiv ab, dass dieser nach ihm erst die "Sozialromantiker" zur Besinnung brachte und so den Weg für eine gesteuerte Einwanderungspolitik frei machte. Dies war wohl selbst für die FAZ zu viel des Positiven für ein Pogrom, so dass die Onlineversion nachträglich entschärft wurde. Aber auch danach war noch von einer "Utopie namens Multikulturalismus" die Rede, die gerade erst geboren worden war, aber schon den Keim des Scheiterns in sich trug.

Zu viel war auch ein von der Brandenburger CDU-Chefin Saskia Ludwig geschriebener Artikel in der neurechten Wochenzeitung "Junge Freiheit". In dem Rechtsaußenblatt griff sie die rot-rote Landesregierung und Teile der Medien scharf an und schrieb im rechten Duktus von einem "politisch korrekten Gleichmachungs- und Gleichschaltungswahn, der unsere Freiheit, Individualität und Tradition zerstören möchte" sowie von einer angeblichen "falschen und gelenkten Berichterstattung". Der Kampf gegen eine "Political Correctness", die angeblich die Meinungsfreiheit unterdrückt, schaffte es mit dem Satz "Man wird ja wohl noch sagen dürfen" während der Sarrazin-Debatte auf die Titelseite der "Bild"-Zeitung und ist Namensvorbild des kulturrassistischen Webblogs "Politically Incorrect". Nach dem Vertrauensentzug durch ihre Fraktionskollegen musste Ludwig als Landes- und Fraktionsvorsitzende zurücktreten.

Antimuslimischer Rassismus

Richard Millet, ein angesehenen Lektor und Herausgeber des französischen Verlags Gallimard, lobt Breivik als Künstler, sieht die christliche Zivilisation vom Multikulturalismus und Islam bedroht und den Antirassismus als eine Form des "intellektuellen Terrorismus". Seitdem darf er zwar weiterhin für den Verlag als Lektor Autoren*innen betreuen, allerdings nur als freier Mitarbeiter von zu Hause aus.

Bereits 2011 gaben die Publizisten Manfred Kleine-Hartlage und Martin Lichtmesz das Buch "Europa verteidigen" mit zehn Texten des Breivik-Vorbilds Fjordman im neurechten Verlag Antaios heraus. Sein neuestes Buch "Neue Weltordnung" durfte Kleine-Hartlage im Mai diesen Jahres auf Einladung der Freien Wähler in Frankfurt vorstellen. Im Rahmen dieser Lesereihe traf der Sozialwissenschaftler anschließend in Stuttgart die rassistischen BPE-Aktivisten*innen Ilona Schliebs und Michael Merkle alias Kybeline und Michael Mannheimer, wie er auf seinen Blog "Korrektheiten" mitsamt Foto berichtet.

Kleine-Hartlage und Mannheimer (Quelle: Screenshot von "korrektheiten.com")

Neurechte Messe

Inhaber des Antaios-Verlags ist Götz Kubitschek, der Initiator der "Freien Messe Berlin" am 6. Oktober. Zusammen mit Kleine-Hartlage präsentiert er dort das Herbstprogramm von Antaios. Kubitschek – der als einer der deutschen Vordenker der Neuen Rechten gilt – ist zugleich verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift "Sezession". Als Mitorganisator der Messe im Berliner Stadtteil Wilmersdorf tritt Felix Menzel auf, der Gründer und Chefredakteur des neurechten Jugendmagazins "Blaue Narzisse".

Die Messe soll das erste "zwischentag" genannte Vernetzungstreffen von konservativen und neurechten Initiativen und Organisationen werden. Zu dem angekündigten Großevent sind bisher 24 Aussteller namentlich auf der Homepage veröffentlicht, darunter die Wochenzeitung "Junge Freiheit", die Stresemann Stiftung, einige Burschenschaften sowie der Allgemeine Pennälerring (APR), in dem burschenschaftlich ausgerichtete Schülerverbindungen organisiert sind.

Der "zwischentag" auf Facebook (Screenshot, Störungsmelder)

Den ganzen Messetag über soll in einem Saal für jeweils rund 100 Hörer*innen ein Begleitprogramm an Lesungen, Präsentationen und Podiumsdiskussionen angeboten werden. Von 15:30 bis 16 Uhr findet eine Diskussion unter der Fragestellung "Ist der Islam der Feind?" statt. Diese wird zusammen von Vertretern*innen des nationalistischen Monatsmagazins "Zuerst" und PI-News moderiert. Zum Abschluss feiert abends das Institut für Staatspolitik (IfS) – das bedeutendste deutschsprachige neurechte "Think Tank"– die 50. Ausgabe seiner Zeitschrift "Sezession".

Am Veranstaltungsort vor dem AVZ Veranstaltungszentrum "Logenhaus" im Berlin-Wilmersdorf ist an diesem Samstag mit antirassistischen Gegenprotesten zu rechnen.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem "Störungsmelder"-Blog von Zeit Online.

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Zentrum der "Neuen Rechten" in Karben: Politische Angriffe von Rechtsaußen

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In jüngster Zeit hat sich im hessischen Karben ein Zentrum der "Neuen Rechten" entwickelt. Schnell formierte sich breiter Widerstand gegen den Versuch der Rechtsextremen, sich in Karben einzunisten. So wurde schließlich das Bürgerbündnis "Für ein offenes Karben – NULL Toleranz bei Rechtsextremismus" gegründet. Doch wer sind eigentlich die Gruppierungen, die sich vor Ort in der "Neuen Rechten" sammeln? Ein Überblick.

Eine Zusammenstellung der Antifaschistische Bildungsinitiative e. V.

In Karben ist vor einigen Wochen ein Zentrum der "neuen Rechten" entstanden. Dies wurde zuerst durch Veröffentlichungen auf einschlägigen Blogs der "Identitären" bekannt. Hier wurde am 13.05.2013 geschrieben: "Am vergangenen Samstag kamen 'Identitäre' aus dem Rhein-Main-Gebiet in Karben bei Frankfurt zusammen, um in Zusammenarbeit mit dem 'Institut für Staatspolitik (IfS)' den Grundstein für eine 'Identitäre Projektwerkstatt' zu legen." Und weiter "Im Laden werden zum einen Material aus dem identitären Versand wie Aufkleber, Flyer, T-Shirts und Fahnen zu finden sein, zum anderen wird es auch Studien des IfS, die Zeitschrift 'Sezession' und 'Blaue Narzisse' sowie andere gesellschaftskritische Bücher geben." Neben der Auslage von Büchern, Aufklebern und Zeitungen wurde angekündigt, dass es auch ein Raum und Treffpunkt für extrem rechte Gruppen werden soll. "Für politische Vorträge, Zwischentage und Arbeitsphasen eignen sich die Räumlichkeiten ebenfalls bestens. Die Zwischentage der Identitären werden jeden Monat in diesen Räumlichkeiten stattfinden."In einem Schaufenster der Projektwerkstatt wurden Aufkleber der "Identitären" ausgelegt und präsentiert. Dies wurde von uns dokumentiert.

Danach formierte sich in Karben sehr schnell ein breiter politischer Widerstand von der Stadt Karben über verschiedene Vereine bis hin zur Schule. Bei einer Pressekonferenz wurde die Ablehnung dieses rechten Raumes deutlich gemacht und die Gründung eines Bürger_innenbündnisses vorgeschlagen. Hierüber berichteten auch verschiedene Zeitungen: Frankfurter Neue Presse und Wetterauer Zeitung

Auch die Hessenschau hat einen 5-minütigen Bericht zur Situation in Karben gedreht. Zusätzlich gibt es beim hessischen Rundfunk eine Sonderseite zum Thema. Hier sind auch mehrere Radiobeiträge zu finden, in denen auch wir zu Wort kommen.

Kurz vorgestellt: Wer sind die genannten Gruppen?

Die "identitäre Bewegung" besteht aus mehreren lose verbundenen Gruppierungen, die von der "Neuen Rechten" entwickelte Ideen des Ethnopluralismus aufgreifen. Ziel ist die Behauptung einer "Identität", die die Protagonisten dieser Gruppen von einer befürchteten Islamisierung bedroht sehen." In Hessen gibt es mehrere Neonazigruppen (z.B. im Lumdatal), die offen mit den Identitären zusammenarbeiten. Zitat der Neonazis: "Im Lumdatal sind auch die Identitären wirklich national." Wer sich über dass, was die letzten Monate im Lumdatal so "wirklich nationales" passiert ist, informieren möchte, kann dies hier tun: Rechte randalieren bei Bürgermeisterin (Gießener Allgemeine) und auf der Seite "Nazifreies Lumdatal".

Neonazis und Identitäre in Hessen im Lumdatal

Neonazis und Identitäre in Hessen im Lumdatal

Da erzählt wird, dass in der Projektwerkstatt ja nie Material der Identitären ausgelegt hätte- hier der Gegenbeweis

Da erzählt wird, dass in der Projektwerkstatt ja nie Material der Identitären ausgelegt hätte- hier der Gegenbeweis

Das "Institut für Staatspolitik" gehört wie die Zeitschrift "Sezessionen" zum "Verein für Staatspolitik". Dieser "Verein für Staatspolitik" verlegt die Sezessionen und sammelt die Beiträge für das "Institut für Staatspolitik" ein, dass kein eingetragener Verein ist. Das Institut für Staatspolitik wäre gerne eine "Denkfabrik" der rechten Szene. Der Betreiber der Projektwerkstatt Andreas L. aus Karben ist Vorsitzender des "Verein für Staatspolitik".

"Das Institut für Staatspolitik ist, wie die Zeitschrift Sezession, ein Zweckbetrieb des Vereins für Staatspolitik e.V., eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins, den es seit mittlerweile 13 Jahren gibt und der seitdem kontinuierlich gearbeitet hat." Dies dürfte auch die vielen Artikel zu seiner Projektwerkstatt in dem von diesem Verein herausgegebenen Publikationen erklären.

Hier ein sehr aussagekräftiges Video von 3sat, in dem einige Vorstandskollegen aus dem "Verein für Staatspolitik" des Karbener Andreas L. zu sehen sind.

Nachdem weitere Zeitungsberichte erschienen sind, hat sich die "Projektwerkstatt" von Nazis distanziert und zum Grundgesetz bekannt. Dies ist für Gruppen der "Neuen Rechten" nichts Ungewöhnliches. Auch wurde sich seitens der Projektwerkstatt von Gewalt distanziert. Auf der inzwischen eingerichteten Facebookseite der Projektwerkstatt erschien folgendes Bild. Dieses wurde auch von der "Projektwerkstatt Karben" geliked.

Wie sich das Bild mit der von der Projektwerkstatt geforderten “Bedingungslose Ablehnung von Gewalt gegen Personen und Sachen” vereinbaren lässt?Das "Institut für Staatspolitik" hat vor kurzem nach einem starken überparteilichen Protest in Bad Pyrmont (Niedersachsen) seine dortigen Versammlungsräume verloren. Selbst der stramm konservativen "Landsmannschaft Ostpreußen" war das dortige Treiben zu heftig. Mit der Begründung, dass Kontakte des "Instituts für Staatspolitik" zur NPD bestünden, distanzierte sich die Landsmannschaft von diesem und kündigte die Räumlichkeiten. Hier ein Auszug aus der Erklärung der "Landsmannschaft Ostpreußen": "Die Landsmannschaft wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das sogenannte 'Institut für Staatspolitik' nach eigenen Angaben führender Personen dieser Einrichtung mit höherrangigen NPD-Funktionären zusammenarbeitet und diese sogar ausbildet. Darüber hinaus ordnet sich das so genannte Institut für Staatspolitik selbst der sogenannten 'Neuen Rechten' zu. Der Begriff 'Neue Rechte' steht für eine politische Ausrichtung, die die Beseitigung oder zumindest die Beeinträchtigung des demokratischen Verfassungsstaates anstrebt und versucht, zunächst einen bestimmenden kulturellen Einfluss zu erlangen, um letztlich den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren und das politische System grundlegend zu verändern."(Quelle: PM der "Landsmannschaft Ostpreußen") Auch der Stadtrat von Bad Pyrmont hat schnell und klar reagiert und sich in einer Resolution klar gegen das "Institut für Staatspolitik" ausgesprochen. (Siehe hierzu den Bericht des NDR)

Die "Projektwerkstatt Karben" wirbt auf ihrer Facebook-Seite auch für "Literatur" des Verlages "Antaios". Der Verleger sitzt auch im Vorstand des "Vereines für Staatspolitik". Viele der Autoren sind der "neuen Rechten" zuzuordnen, andere kommen aus dem konservativen Spektrum.

Einer der Autoren hat das Pseudonym "Fjordman": Anders Breivik ist der Verurteilte norwegische Neonazi und Massenmörder, der für einen Bombenanschlag in Oslo und wegen Mordes an 77 Menschen verurteilt wurde. Er hat wegen seiner absolut menschenverachtenden Einstellung einen Bombenanschlag verübt und ist danach zu einer Insel gefahren, um dort 69 Mitglieder der Jugendorganisation der norwegischen Sozialdemokraten zu ermorden. Bei der Gerichtsverhandlung hat er sich in seinem "Manifest" auf "Fjordman"berufen. (Ein ausführlicher Bericht hierzu bei Spiegel Online) Ein Buch von "Fjordman" beim "Verlag Antaios" mit dem Titel "Europa verteidigen. Zehn Texte" wird in einer Rezension wie folgt beworben: Als Werk, "das durch die Radikalität seines Tons provoziert und zugleich diese Radikalität rechtfertigt".

Woher kommen die "Freunde" der Projektwerkstatt?

Nach den massiven Störungsversuchen der Gründungsveranstaltung des "Bündnis offenes Karben" fragen sich viel Menschen, woher die Rechten gekommen sind. Die Antwort ist einfach: Viele gehörten den Identitären und dem Umfeld des "Vereins für Staatspolitik" an. Andere, wie die zwei Vertreter der NPD (Daniel L. und Stefan J.) und der Vertreter der hessischen REP (Matthias O./FFM) haben den Saal nicht betreten und sind draußen geblieben.

Hier ein Vergleich zwischen dem" demokratischen Bündnis offenes Karben" und der "Projektwerkstatt Karben":

Die Unterstützer des "Bündnis offenes Karben" kommen überwiegend aus Karben, die der Projektwerkstatt aus FFM und den rechten Gruppen in FB.

Bündnis "Für ein offenes Karben – NULL Toleranz bei Rechtsextremismus" gegründet: 500 Menschen machen mit

Am 13. Juni 2013 haben etwa 500 Bürgerinnen und Bürger im Bürgerzentrum in Karben das Bündnis "Für ein offenes Karben – NULL Toleranz bei Rechtsextremismus" gegründet. Hierbei versuchten Personen aus der rechten Szene, mit ihrer Wortergreifungsstrategie (siehe auch hier) die Bündnisgründung zu stören und wurden des Saales verwiesen. Danach gründete sich das Bündnis. Viele Informationen zur Bündnisgründung sind auf der Seite der Initiative "Stolpersteine in Karben" zu finden. Hier wird auch auf die Aktionen rechter Gruppen in Karben eingegangen.

Aktiv werden beim Bündnis offenes Karben?

E-Mail an: offeneskarben@gmx.de oder per Post: Stadtverwaltung Karben. Rathausplatz 1, 61184 Karben. Die Menschen in Karben können in naher Zukunft mit der gesellschaftlich breiten Unterstützung vieler Gruppen, Verbände und Parteien aus Hessen rechnen, um gemeinsam den friedlichen Widerstand zu organisieren. Hier sind wir erst ganz am Anfang.

Presse hierzu:

Karbener setzen klares Zeichen gegen Rechts (Wetterauer Zeitung)

Karben sendet ein klares Signal (Frankfurter Neue Presse)

Die "Projektwerkstatt Karben" bekennt sich auch zur "Achtung der Menschenwürde und Respekt vor Andersdenkenden".

Nach der Gründung des Bürgerbündnisses lief sich die extrem rechte Bloggerszene warm. Mehrere Menschen aus dem Bündnis wurden diffamiert, persönlich angegriffen und beleidigt. Es wird mit einer unglaublichen Radikalität versucht, das Projekt zu verteidigen. Diese grenzt in einigen Fällen schon an Fanatismus. Was hier gelaufen ist, hat mit "Respekt von Menschenwürde und Andersdenkenden" nichts zu tun. Sicherlich gingen diese Angriffe nicht von der Projektwerkstatt aus. Es zeigt jedoch, wozu Menschen mit einer gewissen extrem rechten Einstellung in der Lage sind.  Warum der Betreiber der Projektwerkstatt jedoch auf seinem öffentlichen Facebook-Account eine Seite liked, auf der sich seine politischen Gegner sich bloßgestellt und diffamiert fühlen (Hier wurden selbst von FB schon mehrere Beiträge gelöscht), dass muss er erklären können.

Der aktuelle europaskeptische Text der Projektwerkstatt Karben ist auch keine neue Erfindung der "Projektwerkstatt". Der Text wurde schon vor längerem auf der Homepage einer süddeutschen Gruppe veröffentlicht – nur ohne Überschrift der "Projektwerkstatt Karben". Es ist eine kurze Einleitung in eine Broschüre des "Instituts für Staatspolitik".

Eine mögliche weitere Baustelle in Karben: In Karben hat sich die letzten Tage auch ein Ableger eines militanten und rechtsextremen Kameradschaftsnetzwerkes zumindest virtuell gegründet. Der Blog ist aktuell nicht nur inhalts,- sondern auch ziemlich textleer. Wir werden dies weiterhin beobachten.

Selbstkritik: Das Beispiel aus Karben zeigt, dass wir alle mehr Zeit für Recherche und für den Erhalt demokratischer Standards aufbringen müssen. Dass seit Eintragung des e.V. 2001 bis heute der Verein nicht als Träger des Instituts für Staatspolitik und der Sezessionen thematisiert wurde, ist erschreckend und sollte auch bei uns sowie anderen Gruppen für massive Selbstkritik sorgen. Antifaschismus ist Aufgabe aller demokratischen Akteure.

Hintergrund:"Rechtsintellektuelle Publizisten rühren die Werbetrommel für eine zweite Auflage einer Verkaufs- und Informationsbörse am 5. Oktober 2013 in Berlin" (blick nach rechts)

Textübernahme mit freundlicher Genehmigung der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V.

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Demos, Einschüchterungsversuche und nervöse Zeugen: Der Jahresrückblick aus Hessen

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Wichtige Ereignisse bezüglich der extremen Rechten im Jahr 2013 waren in Hessen der 1. Mai, für den die NPD eine "Großkundgebung" an der Europäischen Zentralbank geplant hatte, und die Landtagswahlen am 22. September inklusive des Wahlkampfes. Für Aufsehen sorgte während des Jahres immer wieder eine Gruppe Neonazis, die im mittelhessischen "Lumdatal" mehrere Menschen teils regelrecht terrorisiert.

Von Verena Grün im Auftrag vom Netzwerk für Demokratie und Courage Hessen

Der 1. Mai

Etwa ein ganzes Jahr lang warb die hessische NPD auf ihrer Homepage für eine "Großkundgebung" am 1. Mai nahe der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Die Kundgebung sollte eine von zwei zentralen Parteiveranstaltungen sein. Lange Zeit blieb es mehr oder weniger bei dem Hinweis auf der Seite, irgendwann kam eine Sonderseite hinzu. Darüber hinaus wurde kaum für die Veranstaltung mobilisiert. Zumindest nicht auf Seiten der Neonazis.

Anders sah es auf antifaschistischer Seite aus. Am 1. Mai beteiligten sich dann auch zahlreiche Menschen an den Protesten und Blockaden. Die NPD-Anhänger_innen trafen sich in Kahl am Main (bei Aschaffenburg, Bayern), um gemeinsam mit der Bahn nach Frankfurt zu fahren. In Hanau war die Reise jedoch zu Ende. Eine Blockade auf den Schienen in Frankfurt machte es ihnen unmöglich, zum Kundgebungsort zu gelangen. Nach einigem Hin und Her entschieden sich die lediglich etwa 150 NPDler_innen, in Hanau eine Ersatzveranstaltung abzuhalten.

Zwar wurde dies im Nachgang als Erfolg verkauft, der Tag war dennoch eine eindeutige Niederlage für die (hessische) NPD. Insbesondere die geringe Teilnehmendenzahl gibt deutliche Auskunft über den Zustand der Partei in Hessen. Die Neonazis der hessischen "Freien Kräfte" waren ohnehin lieber zu anderen Aufmärschen gefahren. Das Freie Netz Hessen zum Beispiel mobilisierte ausschließlich nach Würzburg und fuhr dann auch zur dortigen Veranstaltung.

Bundestags- und Landtagswahl

Immerhin war es der NPD gelungen, sowohl für die Bundestags- wie auch für die Landtagswahl Landeslisten aufzustellen. Mit der Erststimme waren jedoch nur für den Bundestag NPD-Kandidat_innen wählbar. Wahlkampf fand so gut wie nicht statt. Lediglich Plakate waren aufgehängt worden, darunter auch die berüchtigten Plakate mit dem antiziganistischen Slogan. Mehrere Städte ließen sie abhängen, mussten sie jedoch größtenteils nach Gerichtsentscheidungen wieder anbringen.

Ende August bis Anfang September machte das "NPD-Flaggschiff" im Rahmen des Bundestagswahlkampfs in neun hessischen Städten Station. In Hanau bekamen die NPDler besondere Empörung zu spüren. Aufgrund von Blockaden musste die Kundgebung zuerst verlegt werden, dann wurde sie auch noch vorzeitig durch den Hanauer Oberbürgermeister aufgelöst. Dieser hatte in der Rede des damaligen NPD-Vorsitzenden Holger ApfelÄußerungen gehört, die er als volksverhetzend begriff. Zwei Wochen später wiederholte die NPD jedoch dort ihre Kundgebung.

Wahlerfolge brachten ihr die Kundgebungen jedoch nicht ein. Bei der Bundestagswahl konnte die Partei ihren Anteil von ein Prozent der abgegebenen Zweitstimmen in Hessen halten. Bei der Landtagswahl gelang ihr eine Steigerung von 0,9 Prozent auf 1,1 Prozent. Mit diesem Ergebnis kommt sie erstmals wieder in den Genuss staatlicher Zuwendungen in Form von Wahlkampfkostenerstattung. Dennoch trat der Landesvorsitzende Daniel Knebel im Anschluss von seinem Posten zurück. Seither wird der Landesverband kommissarisch geführt.

Auch "pro Deutschland" machte im Rahmen ihrer Wahlkampftour in sechs Städten in Hessen Station. Wie überall suchten sie sich linke Zentren oder Moscheen als Orte ihrer Kundgebungs-Shows aus. Ihr Wahlergebnis in Hessen: 0,1 Prozent.

Die Rechte

Die im Vorjahr gegründete Partei "Die Rechte" hat ihre Strukturen in Hessen weiter ausgebaut. Sie verfügt nun über fünf Kreisverbände und drei Ortsverbände, diese dürften jedoch alle mehr als mitgliederschwach sein. Der hessische Vorsitzende Pierre Levien wurde im Mai in den Bundesvorstand aufgenommen und kandidierte in seinem Wahlkreis als Direktkandidat zur Landtagswahl.

Darüber hinaus sind keine öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Partei in Hessen zu verzeichnen. Zwar sind die Verlautbarungen auf Facebook immer wieder für ein Schmunzeln gut, den vollmundigen Ankündigungen folgen jedoch keine nennenswerten Aktivitäten.

Lumdatal

Für großen Aufruhr sorgte 2013 eine Gruppe von Neonazis aus dem Lumdatal (bei Gießen). Die Gruppe besteht aus größtenteils seit Jahren aktiven Neonazis der Region. Doch erst seit sie unter einem Gruppennamen öffentlich agieren und unter anderem die Bürgermeisterin angehen, wird ihre Existenz von der Allgemeinheit wahrgenommen. Sie bedrohen ihnen unliebsame Menschen, verteilen die "Lumdatal-Stimme" und verkleben ab und an Massen an Aufklebern. Einer der Sticker ist der Allendorfer Bürgermeisterin gewidmet: "Kein Bock auf Bergen-Krause" ist darauf zu lesen. In der Nacht zum 1. Mai versuchten die Neonazis unter Sieg Heil-Rufen zuerst die Haustür einer Allendorfer Familie, dann die der Bürgermeisterin einzutreten. Auch weitere Menschen, die sich gegen rechts positionieren wurden angepöbelt und versucht, einzuschüchtern. So drangen beispielsweise vier Neonazis auf das Grundstück einer Familie ein und bedrohten diese etwa 20 Minuten. Ebenfalls im Mai fand dann in Allendorf eine Kundgebung der JN mit lediglich acht Teilnehmenden statt, am Nachmittag folgte ein Aufmarsch in Grünberg, zu dem etwa 50 Neonazis kamen.

Im Juli, vermutlich aus Angst vor einem Verbot, erklärte die Gruppe ihre Auflösung und ihren Eintritt in die JN. Nach einer kurzen Ruhephase gab es erneut "Besuche" bei bereits vorher betroffenen Personen. Nach dem Outing eines Aktivisten an der Uni Gießen tauchte eine kleine Gruppe Neonazis zuerst bei der Bürgermeisterin auf, versuchte an einem anderen Haus die Tür einzutreten und griff anschließend zwei Personen an, die jedoch flüchten konnten.

Die "Projektwerkstatt" in Karben

Seit Mai 2013 verfügt die "Neue Rechte" in Hessen über ein Zentrum. In einem Wohnhaus in Karben befindet sich im Erdgeschoss die sogenannte "Projektwerkstatt". Die Räume gehören dem Vorsitzenden des neurechten Instituts für Staatspolitik, Andreas Lichert. Seither fanden dort einzelne kleine Veranstaltungen statt. Die Gründung fand noch in Zusammenarbeit mit der "Identitären Bewegung" statt, zu dieser ging Lichert jedoch auf Distanz. Dies dürfte mit dem breiten Protest zusammenhängen, der sich nach Bekanntwerden der Hintergründe der Lokalität in Karben formiert hatten.

Feindbild Stolpersteine

In der Nacht zum 8. November wurden im südhessischen Seeheim-Jugenheim Rathausfenster eingeworfen – mit zwei Stolpersteinen, die ein Jahr zuvor in Griesheim entwendet worden waren. Im Rathaus war kurz vorher die Ausstellung "Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen" eröffnet worden. In Griesheim war die Polizei 2012 der Meinung, Täter könnten Rechte oder "Wertstoffdiebe" gewesen sein. Kurz bevor in Seeheim-Jugenheim im April Stolpersteine verlegt wurden, wurde an die dafür vorgesehene Stelle "Stolpersteine der Lüge" gesprüht. Der Bürgermeister hat auch bereits Drohbriefe erhalten.

Einen Tag vorher wurden auch im südhessischen Weiterstadt frisch verlegte Stolpersteine aus dem Pflaster entfernt und gestohlen. In keinem der Fälle konnten die Täter_innen bisher identifiziert werden.

NSU

Anfang Dezember musste der ehemalige Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, Andreas T., zum zweiten Mal vor dem Oberlandesgericht in München im NSU-Prozess aussagen. Er war während des Mordes an Halit Yozgat in dessen Internet-Cafe, will aber nichts von den Geschehnissen mitbekommen haben und den Erschossenen auch nicht gesehen haben, als er sein Geld auf den Tresen legte. Als nach der Tat nach Zeug_innen gesucht wurde, meldete er sich nicht. Außerdem soll er eine Stunde vor der Tat mit dem von ihm geführten V-Mann Benjamin G. telefoniert haben, der auch über Kontakte zu "Blood&Honour" verfügte. Das Gespräch dauerte ungewöhnlich lange.

In den zwei Tagen seiner Vernehmung machte T. wirre Aussagen, verwickelte sich in Widersprüche, wollte sich nicht erinnern. Im Anschluss wurde G. vernommen. Auch seine Befragung gestaltete sich als schwierig. Dennoch sagte er aus, dass T. bei einem Treffen etwa drei Wochen nach dem Mord anders als sonst gewirkt habe: abwesend, im Gegensatz zu sonst habe er sich keine Notizen gemacht. Als G. ihn auf den Mord ansprach, sei T. deutlich nervös geworden.

G. wurde vom hessischen VS ein Zeugenbeistand zur Seite gestellt und auch bezahlt. Dieser soll wohl auch verhindern, dass G. mehr sagt als er darf. Allerdings gibt dies auch Anlass zur Befürchtung, die Aufklärung könnte behindert werden. T. wird noch mindestens einmal in München erscheinen müssen. Dass die vielen offenen Fragen dann beantwortet werden, ist jedoch unwahrscheinlich.

Seit 2012 erinnert in Kassel ein vorher namenloser Platz an Yozgat: der Halit-Platz. Dort befindet sich auch eine Gedenktafel. Im März wurde diese mit Farbe beschmiert. Täter_innen und Hintergrund blieben unbekannt.

Ausblick

Zum Glück sind 2013 größere Proteste gegen die Unterbringung von Geflüchteten ausgeblieben. Bleibt zu hoffen, dass dies auch im kommenden Jahr so bleibt.

Was die organisierte extreme Rechte angeht, so ist auch für 2014 nicht damit zu rechnen, dass sie zu insgesamt größerer Handlungsfähigkeit gelangen wird. Dennoch wird sie weiterhin aktiv und auch gefährlich – wie das Beispiel Lumdatal zeigt – bleiben. Außerdem stehen erneut Wahlen an, für das Europaparlament wollen auch NPD und "Die Rechte" kandidieren. Dass es neue Erkenntnisse zum NSU-Mord in Kassel oder zu Rolle und (Nicht-) Wissen des V-Mann-Führers Andreas T. geben wird, ist unwahrscheinlich. Aber vielleicht wird es wenigstens doch noch einen Untersuchungsausschuss dazu geben.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Alle Bundesländer im Jahresrückblick 2013

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Monitoring: Wie "patriotische" Facebook-Seiten Hass verbreiten

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"Ich bin Patriot, aber kein Nazi" - am Titel dieser Facebook-Seite bestehen berechtigte Zweifel, wenn zugleich Aktionen der neurechten "Identitären Bewegung" geteilt werden.
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Monitoring: Rechtsaußen-Aktivist_innen sind in sozialen Netzwerken besonders aktiv: Nicht ohne Grund hat es  „Pegida“ erst über die Facebook zur Großmobilisierung geschafft, bekommt die AfD auf Facebook mehr Interaktionen als die großen Volksparteien. Eine umtriebige Teilszene: Die „Patrioten“. Ein Streifzug durch die sich "patriotisch" nennende Facebook-Szene rechtsaußen, knapp vor rechtsextrem  - und öfter auch dahinter. Trigger-Warnung: Explizite Beispiele.

Text: Simone Rafael, Monitoring: Malte Switkes vel Wittels

„Ich bin kein Nazi! Ich liebe nur mein Land“, ist ein klassischer Satz von Menschen, die sich als „Patriot_innen“ bezeichnen. Sie reklamieren ihre Liebe zu Heimat, Tradition und Kultur, und fragen gern anklagend, ob das denn „schon ein Verbrechen“ sei. Dies ist natürlich nicht der Fall. Doch auf diversen sich „patriotisch“ gebenden Facebook-Seiten mit vielen Mitgliedern bleibt es nicht bei der puren Heimatliebe: Sie wird in Stellung gebracht, um gegen andere Länder, Traditionen und Kulturen zu hetzen, also Rassismus und besonders Islamfeindlichkeit zu verbreiten.  Außerdem gehört zum Repertoire: Sexismus, Hetze gegen „Gutmenschen“ und Politiker_innen – kurz: Propaganda, die an offenen Rechtsextremismus erinnert und oft auch dort herkommt.

Wie sieht das praktisch aus?

Die größte Website im Feld ist "Ich bin Patriot, aber kein Nazi". Über 80.000 Menschen gefällt die Facebook-Seite, die aktuell offen eine Demonstration der neurechten "Identitären Bewegung" in Wien bewirbt, die das gute alte Rechtsaußen-Thema des "Volkstods" unter dem Motto "Der große Austausch" bedient:

Klassisches Stilmittel, hier im Bild rechts zu sehen: Gern wird ein historisches Zitat genommen - hier von Carl Theodor Körner - aus dem Zusammenhang gerissen und neu kombiniert - hier mit einem Foto der Bundesregierung. 

Aber was teilt "Ich bin Patriot, aber kein Nazi" denn sonst so? Einerseits Erwartbares und praktisch Unproblematisches: 

 

Dieses Level wird allerdings relativ schnell verlassen. Es bleibt zwar schwarzrotgold, aber nun wird ein Allgemeinplatz addiert und als Erkenntnis präsentiert - mit dem nicht ausgesprochenen Subtext, Flüchtlinge und Asylbetrug gleichzusetzen.

Interessant eine Diskussion auf "Ich bin Patriot, aber kein Nazi"über Burkas, die schnell darin mündet, dass der Admin postet, das Christentum habe ausgerechnet im Mittelalter "Humanität und Nächstenliebe" in die Welt gebracht - ins Netz gestellt mit einer natürlich quellenlosen Hetzgrafik, wie viel schlimmer "islamische Invasionen" gegenüber den christlichen Kreuzzügen seien. Dafür gibt es selbst in den eigenen Reihen Widerspruch: 

Die Hetze gegen Islamist_innen gehört zum Standard-Repertoire der Seite - ebenso wie die rassistische Rechtfertigung der Hetze durch den Administrator der Seite: "Wir sind gegen Köpfe abschneiden. Wenn das für Dich Nazis sind, dann sind wir wohl Nazis."

Demokratischen Problem-Lösungs-Verfahren steht der Admin auch eher skeptisch gegenüber, wie der Kommentar zu diesem homophoben Foto eines jungen Mannes in rechtsextremem Pulli zeigt: 

In der weiteren Diskussion wird die Aggression von Leser_innen der Seite zur Gewalt ausgemalt und befürwortet. Doch mehr als "nur" inhaltlich gibt es auch praktisch Überschneidungen zur organisierten rechtsextremen Szene - hier in Form der neurechten "Identitären Bewegung". Die wird nicht nur im Kopf der Seite, sondern auch in Postings beworben: 

Dass auf dieser Seite bisweilen diskutiert wird, wie weit rechtsaußen noch patriotisch ist, erklärt sich aus der Reichweite, die mit über 80.000 Fans sehr groß ist. Trotzdem scheinen die offenen rechtsextremen Postings der Admins die Fans der Gruppe nicht genug abzuschrecken, um auszutreten.

Weit in die rechtsextremen Szene vernetzt ist die Seite "Für Familie, Volk und Heimat - Multikulti und Islamisierung stoppen" (über 14.000 Fans): Offene rechtsextreme Bezüge finden sich schon unter den prominent präsentierten Likes der Seite: etwa die NPD-Zeitung "Deutsche Stimme". Auch die "Hooligans gegen Salafismus" werden verlinkt, über Aktivitäten der neurechten "Infidels" berichtet. Der Beliebtheit der Seite tut das offenkundig keinen Abbruch. Die "Patriot_innen" hier schätzen offenkundig die rechtsextreme Propaganda, der andere Titel dient eher als Feigenblatt.

 

Diese  Facebook-Seiten sind Teil eines großen "patriotischen" Netzwerks, das an allen Stellen auch in die rechtsxtreme und natürlich rechtspopulistische Szene vernetzt ist. Über 11.000 Menschen klickten etwa auf "Gefällt mir" bei "Deutsch sein ist kein Verbrechen", einer Seite, die problematische Postings politischer Gegner_innen oder Migrant_innen vorführt und als symptomatisch beschreiben. "Heimatliebe ist kein Verbrechen" finden rund 7.000 Fans, verbinden dies aber mit Gedenken an NS-Kriegsverbrecher, Anti-Antifa-Hetze und Rassismus. Auf "Das Volk steht auf" (4.000 Fans) wird auf schwarzrotgoldenem Grund mit dem HoGeSA-Slogan "Gemeinsam sind wir stark" geworben und in den Beiträgen über "Nein zum Heim"-Seiten gegen Flüchtlinge gehetzt. Auf "Ich bin stolz, deutsch zu sein" (über 7.000 Fans) sieht Rassismus so aus (und wird in der Einleitung "garniert" mit der Hetze gegen sexuelle Vielfalt): 

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"Zeig Flagge, Deutschland" hat dagegen offenbar so viel Angst vor der Rechtmäßigkeit der eigenen Inhalte, dass es sicherheitshalber 3 Versionen davon gibt - falls die anderen von Facebook gelöscht werden. Auf einer dieser Seite finden sich fantastische Postings wie diese hier: 

"Quelle" der "Nachricht" ist eine amerikanische islamfeindliche Website, die offenkundig Verschwörungstheorien zu ihrem Repertoire zählt. Einen Wahrheitsgehalt hat die Meldung natürlich nicht. Doch die Taktik, Artikel von rechtspopulistischen, islamfeindlichen, neurechten Medien zu teilen, ist in diesem Spektrum sehr beliebt - um damit eine scheinbare Objektivität zu vermitteln ("Schau, andere sagen es auch"). 

Immer noch über 6.000 Menschen mögen "Der Patriot", der ebenso wie "Für Familie, Volk und Heimat" mit Germania, Goethe und Schiller titelt: 

Allerdings wird hier auch sofort die "Balaclava Küche" verlinkt - eine Nazi-Hipster-Aktion aus der offen rechtsextremen Kameradschaftsszene, zudem mit einem Bericht vom rechtsextremen "Rock für Meinungsfreiheit"-Festival in Hildburghausen. Hier sind die Bezüge zur offen rechtsextremen Szene also nur wenig patriotisch verbrämt, was auch Postings wie diese zeigen: 

Den Nazi-Hipster-Bezug beweisen auch Postings wie dieses, das Tierschutz mit sexistischer Abwertung verknüpft:

 

Zu den Seiten, die auf "patriotischen" Seiten besonders gern verlinkt werden, gehört etwa "Schnauze voll von der BRD GmbH Pseudostaat-Regierung" (über 14.000 Fans; Als Facebook-URL übrigen "Deutsche Revolution 2015"): Hier finden sich Hass auf die Demokratie neben Reichsbürger-Ideologie und Rassismus.

Auf dieser Seite wünschen sich die User_innen, die aktuelle Regierung würde wie "bei Hitler" erschossen:

Islamfeindliche Hetzblogs dienen wiederum als Quelle, um Unwahrheiten journalistisch erscheinen zu lassen - und zugleich in guter verschwörungstheoretischer Manier zu behaupten, man könne zu diesen Dingen ja nichts wissen, weil sie bewusst verschwiegen würden. Michael Mannheimer ist das Pseudonym der gerichtsbekannten Islamhassers Karl-Michael Merkle, der unter dieser "Marke" bloggt und für PI-News schreibt - alles das ohne jeden Wahrheitsgehalt. Interessanterweise ist dieser am 26. Mai 2015 geteilte Artikel übrigens von 2013 und bezieht sich auf einen (!) Vorfall von 2012. Doch so weit lesen die empörten Kommentator_innen ja gar nicht - die eigene rassistische Weltsicht ist ja eh schon bestätigt.

Kein Wunder: "Schnauze voll..." sondert eine beeindruckende Masse von Hass ab, das müssen die Betreiber_innen auch zu älterem Material greifen oder Dinge einfach zweimal posten: An einem Tag setzt die Facebook-Seite 93 Postings ab (gezählt am 26.05.2015).

Auch beliebt bei den "Patriot_innen": "Gefällt mir, weil Gutmenschen panisch zur Nazikeule greifen" (auch ca. 14.000 Fans).

Die Seite behauptet im Titelfoto, "Je suis Charlie Martell": Da bezieht sich einerseits auf das terroristische Attentat gegen das Satire-Magazin "Charlie Hebdo", aber mehr auf Karl Martell, einen frühmittelalterlichen König und Heerführer, der in der islamfeindlichen Szene für die Schlacht von Poitiers gefeiert wird, bei denen er im Jahr 732 muslimische Araber und Berber mit einem Heer aus Franken und Burgundern daran hinderte, nach Frankreich vorzudringen. Die Weltsicht der Seite illustriert dieses Posting:

Vereint werden hier also Homophobie, Antisemitismus und Rassismus - und das ohne ein explizites Wort. Das auszusprechen wird den Leser_innen überlassen, die auch prompt zur Stelle sind. Ein weiterer beliebter Stilgriff:

Migranten als Kronzeugen für die eigenen Abwertungen feiern - hier in expliziter Sprache gegen "Gutmenschen", Menschen, die dem Holocaust gedenken und politisch Gegner_innen als Redebeiträge bei "Pegida" in Dresden.

Auch "Humor" ist ein beliebtes Stilmittel, um Sachen zu sagen, ohne sie offiziell zu sagen:

Ebenfalls in dieses Umfeld gehört noch die Facebook-Seite "Mut zur Wahrheit" ("nur" rund 2.700 Fans, was aber auch daran liegt, dass die Seite öfter gelöscht wird): Hier besteht das Konglomerat des Hasses aus Reichsbürger-Ideologie, Verschwörungstheorien, Hass auf den Staat, Antisemitismus bis zu Holocaust-Relativierung, Rassismus, garniert mit Pseudo-Germanischem.

"Mut zur Wahrheit" veröffentlicht nicht nur besonders gern krude Falschmeldungen, sondern probiert sich auch in rassistischem Internet-Aktivismus:

Der Betreiber ist laut Impressum auf der Facebookseite Dan Ganther aus Duisburg. Der NPD-Fan fiel bereits mit der ebenfalls erfolgreichen Facebook-Seite "Kinder sind tabu" unangenehm auf, die das Thema des sexuellen Kindesmissbrauchs nutzte, um rechtsextreme Ideologie zu verbreiten. Er macht neben "Mut zur Wahrheit" auf Facebook auch die "Mut zur Wahrheit"-Website und mutmaßlich diverse weitere Facebook-Seiten ähnlichen Themas, die oft zeitgleich dieselben Inhalte teilen. 

"Mut zur Wahrheit" postete aktuell auch ein Bild, dass sich gerade in der Facebook-Pegida-Gemeinde großer Beliebtheit erfreut und die Hetze gegen Flüchtlinge mit dem Thema verbindet, das Menschen immer sofort auf die Barrikaden bringt: Kinder.

Das Schöne am Internet ist allerdings: Die Möglichkeit zur direkten Gegenaktion ist gegeben (hier rechts in den Kommentaren):

Die gleichnamige Website "Mut zur Wahrheit" sieht übrigens so aus - ein Schelm, der beim Logo an ein stilisiertes Hakenkreuz denkt... Außerdem werden hier gleich zwei beliebte verschwörungstheoretischer Rhetorik-Kniffe angewendet: "Lügenpresse"-Hetze, verkleidet in "Humor"über sich selbst; und erst einmal im Voraus jede politische Ausrichtung leugnen und behaupten, man sei nur an "kritischem Denken" interessiert.

 

Was sagt uns das?

Voran sei gesagt: Wir kennen natürlich nicht alle sich "patriotisch" nennenden Seiten, die es auf Facebook gibt, und schon gar nicht alle, die einen positiven Bezug zu Deutschland herstellen. Seiten, die Heimatliebe und Heimatverbundenheit feiern, ohne dies als Anlass zu nehmen, andere Menschen oder Länder abzuwerten, sind völlig legitim und ausdrücklich mit der nachfolgenden Analyse nicht gemeint. Diese bezieht sich auf das Netzwerk der bisher besprochenen Seiten.

Die hier vorgestellten sich „patriotisch“ gebenden Seiten haben durch ihre proklamierte Ausrichtung eine hohe Überschneidung zu nicht-rechtsextremen, aber für gruppenbezogen menschenfeindliche Vorurteile aufgeschlossene Menschen.  Sie sind Sammelbecken für viele, denen NPD und Co. zu offen rechtsextrem, die „German Defense League“ zu Kreuzrittertum-Versponnen und andererseits die CDU/CSU zu tolerant ist. Für Menschen, die zwar rassistische, islamfeindliche, sexistische, homophobe, antisemitische, kurz rechtsextreme Ideologie teilen, aber stets von sich weisen würden, ein „Nazi“ oder auch nur ein Feind demokratischer Prinzipien zu sein. 

Problematisch: In den „patriotischen“ Gruppen werden neue Vorurteile verbreitet und Feindbilder gefestigt – und dies oft durch eben doch rechtsextrem beeinflusste Administrator_innen. Während einerseits die „eigene Kultur“ als die Größte überhaupt dargestellt wird, was ja ein wenig Souveränität zur Folge haben könnte, wird zugleich in völliger Umkehrung der Verhältnisse das Bild als „Opfer“ zelebriert – als „Opfer“ von Flüchtlingen, Muslim_innen, Politiker_innen, Gutmenschen, Kapitalismus, „Neuer Weltordnung“, von einfach allem. Die großmäulige Welt der Patriot_innen ist zugleich eine Welt der Angst. Sie ist deshalb auch die Heimat von „Pegida“ als der Königsbewegung grundloser Ängste. "Pegida" trägt ja nicht umsonst "Patriotisch" im Namen. Erst durch die vielen "patriotischen" Websites ist "Pegida" das Internetphänomen geworden, dass schließlich sogar Tausende mit ihren Vorurteilen auch auf die Straße brachte.

Im Konzert der Rechtsaußen-Propaganda in Sozialen Netzwerken sind die „patriotischen“ Seiten, ähnlich wie „Politically Incorrect“, die Kopp-Nachrichten oder neu-rechte Blogs, für nicht-rechte Menschen anschlussfähiger und weniger peinlich anzuklicken als "Nein zum Heim"-Seiten oder die NPD. Doch die Analyse zeigt:  Verbreitet wird hier die gleiche Ideologie.

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 Patriotismus 

Alle Screenshots vom 26.05.2015

Die Monitoring-Berichte sind eine Kooperation von netz-gegen-nazis.de mit

 

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Neues Wiki beleuchtet das verzweigte Netzwerk der „Neuen Rechten“

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Das Wiki "neue-rechte.info" informiert über das Netzwerk der "Neuen Rechten". In Berlin wurde es nun mit einem Tweetup vorgestellt.
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In der vergangenen Woche wurde das Wiki NEUE RECHTE (www.neue-rechte.info) in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Es beleuchtet Verbindungen zwischen Akteur_innen und dem Netzwerk hinter der „Neuen Rechten“. In einem Tweet Up wurde das neueste Projekt der Amadeu Antonio Stiftung präsentiert, das aus der Arbeit mit jungen Blogger_innen des Projektes no-nazi.net entstand. Wie passt die AfD in diesen Kontext? Das vertiefte Prof. Dr. Samuel Salzborn von der Uni Göttingen inhaltlich  in seinem Vortrag über „Die AfD, die Neue Rechte und die kommenden Landtagswahlen“.

Von Oliver Saal

Das Ziel von Wikis ist es, Online-Wissen gemeinschaftlich und schnell zu sammeln und dieses Wissen in übersichtlicher und für alle leicht zugänglicher Form darzustellen. Das Wiki "NEUE RECHTE", das am Dienstag, den 8. März 2016 in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wird von einer Gruppe junger Menschen erarbeitet, die sich im Rahmen des Projektes no-nazi.net der Amadeu Antonio Stiftung zivilgesellschaftlich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in den Sozialen Medien engagiert.

Das Wiki sammelt Informationen über das Netzwerk der Neuen Rechten: Welche Autoren schreiben für die Medien der Neuen Rechten, etwa für „Criticon“, „Compact“ oder "Sezession"? Welche bekannten Akteure und Akteurinnen der Neuen Rechten zählen sich selbst zur „Identitären Bewegung“? Welche Burschenschaften stellen den Gruppen und Zeitschriften ihre Räumlichkeiten zur Verfügung? Alle auf diese Weise gesammelten Informationen werden mit einem Link als Quelle der Information belegt.

Das Wiki gibt Journalist_innen und Interessierten Aufschluss darüber, wie sich die Akteure der Neuen Rechten mithilfe des Internets und den damit verbundenen Möglichkeiten der Publikation und Vernetzung neue Wirkungskreise sichern und an Einfluss gewinnen. Alle, die zu dem Thema arbeiten, sollen außerdem dazu ermutigt werden, eigene Erkenntnisse über das Netzwerk der Neuen Rechten hinzuzufügen – das funktioniert bei diesem Wiki ganz simpel über ein Onlineformular.

 

Tweet Up in Berlin zur Präsentation des neuen Wikis - #afdwatch16

Um das Wiki einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen, wurden Gäste, die über einen Twitter-Account verfügen, bei der Präsentation darum gebeten, über die Inhalte des Wikis zu twittern. Der Begriff Tweet Up beschreibt ein persönliches Treffen von Twitternutzern und ist eine Wortschöpfung aus den beiden Begriffen meet up und Twitter. Die Hashtags #afdwatch16 und #neuerechte waren so erfolgreich, dass sie am Dienstagabend auf der Onlineplattform in die deutschlandweiten Trends gelangten.
 

 

Eine längere Dokumentation zum Tweet Up findet sich auf Storify:

Vortrag von Samuel Salzborn über die AfD und die Neue Rechte

Um neurechte Netzwerke ging es auch im Vortrag von Samuel Salzborn, Professor für Politikwissenschaften an der Uni Gießen. Er sprach vor vollem Haus darüber, wo die Alternative für Deutschland (AfD) innerhalb dieses neurechten Netzwerks zu verorten ist. Er wandte sich außerdem gegen die Verwendung des Labels „Populismus“ für die AfD: Der Begriff verschleiere mehr, als er erkläre. Stattdessen solle die AfD als das bezeichnet werden, was sie spätestens seit der Abspaltung des Lucke-Flügels ist: Eine Partei des Rassismus und Antifeminismus, die nicht von Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen ausgeht.

Beide Veranstaltung wurden gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.

 

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„Der Islam ist ein Fremdkörper“ – der antiislamische Programmentwurf der AfD

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Das Islam-Bild der AfD: Vollverschleierung und IS. Facebook-Postings am 08. und am 02. April 2016.
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Screenshot Facebook 18.04.2016, Collage ngn

Am Wochenende vom 30. April und 1. Mai 2016 findet in Stuttgart der Bundesparteitag der „Alternative für Deutschland“ statt. Auf dem Parteitag  möchte die noch junge Partei erstmals ein Grundsatzprogramm verabschieden. Ihr Bundesvorstand hat nun einen Programmentwurf erarbeitet, der schon jetzt intensiv in der Presse diskutiert und von Politikern der anderen Parteien insbesondere für seinen Anti-Islam-Kurs angegriffen wird.

Von Oliver Saal

Der Passus des Programmentwurfes, der sich zum Islam äußert,  nutzt zuerst den häufig herbeizitierten Gegensatz zwischen der „jüdisch-christlichen und humanistischen“ europäischen Kultur und dem Islam. Nach den Vorstellungen der AfD ist für Pluralität und Verschiedenheit in Deutschland kein Platz, stattdessen läuft es nach dem geflügelten Wort des Politologen Samuel Huntington stets auf einen „Kampf der Kulturen“ hinaus: Der Islam wird als eine raumgreifende Religion beschrieben, die die hiesige Rechtsordnung bekämpfen und einen alleinigen Herrschaftsanspruch erheben würde. Alexander Gauland, Parteivorsitzender der AfD-Brandenburg macht das in einem die Veröffentlichung flankierenden Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nochmal deutlich, sagt er dort doch: „Der Islam ist keine Religion wie das katholische oder protestantische Christentum, sondern intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden. Deswegen ist die Islamisierung Deutschlands eine Gefahr“. Den Islam bezeichnet er im gleichen Zuge als einen „Fremdkörper“.

Für führende AfD-Köpfe steht daher fest: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, womit sie Bezug nehmen auf den Ausspruch des Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff, der gegenteiliges Behauptete. Der „Kampf der Kulturen“ ist dabei eine selbsterfüllende Prophezeiung: Die wahren Kulturkämpfer sitzen in der AfD, sie behaupten den Widerspruch einfach so lange, bis er in Form von Wahlergebnissen Realität wird. Denn eine AfD mit bundesweiter Regierungsverantwortung, das beweist sie ja gerade, würde Gesetze erlassen, die sich gegen die freie Religionsausübung von Muslimen wenden und diese damit in die Defensive zwingen.

Großzügig, wie die AfD-Parteivorständler_innen aber sind, möchten sie auch die Anhänger der vermeintlich rückständigen Religion des Islam am Lichte Ihrer Aufklärung teilhaben lassen: „Die AfD unterstützt das Bestreben von Islamkritikern, Reformen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft anzustoßen und den Islam an die Werte und Normen der aufgeklärten Moderne anzupassen.“

Islamkritikern wie Hans-Thomas Tillschneider etwa? Der Islamwissenschaftler ist inzwischen Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Tillschneider ist Mitglied der "Patriotischen Plattform", in der sich stramm rechte und völkisch gesinnte AfD-Mitglieder sammeln. Er gilt als der islamfeindlichen „PEGIDA“-Bewegung verbunden, seine Kontakte in die neurechte Szene sind vielfältig, unter anderem gehört er neben Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer zu den Initiatoren der Kampagne „einprozent“.

Die „Patriotische Plattform“, zu der auch Björn Höcke gehört, lehnt das Papier übrigens als zu lasch ab. Sie unterstützen stattdessen einen Gegenentwurf aus dem AfD-Bezirksverband Niederbayern, der fordert, den Bau von Moscheen faktisch zu verunmöglichen.

Eingang in den Programmentwurf des Bundesvorstandes haben auch weitere Dauerbrenner des antiislamischen Rechtspopulismus gefunden: Der Bundesvorstand schreibt, die Partei lehnt „das Minarett als Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf“. Die Formulierung ist hier überraschend schwammig: Eine schiere „Ablehnung“ von Minaretten hat ja erstmal keine Folgen, anders wäre das bei der Forderung nach einem Verbot, wie es die „Patriotische Plattform“ fordert. Aber die Partei kann sich sicher sein, dass die Botschaft unter ihren Adressaten verstanden wird und ihr weitere Sympathien einbringt. Bereits 2009 konnten sich die Schweizer Rechtspopulisten von der SVP mit ihrer Volksabstimmung zu einem Minarettverbot durchsetzen, die Schweizer Verfassung wurde geändert und zu den bis dato vier bestehenden Minaretten in der Schweiz ist kein fünftes hinzugekommen.

Wenig überraschend hat es auch die Forderung nach einem „Verbot der Vollverschleierung durch Burka und Niqab“ in das Dokument geschafft. Besonders  die gegen den „Genderwahn“ engagierte AfD-Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch macht sich dafür stark. Ein ähnliches Gesetz ist in Frankreich seit sechs Jahren in Kraft und wurde noch unter der Regierung Sarkozy verabschiedet. Noch heute melden Beobachter starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes an: Ohnehin seien bloß etwa 2.000 Frauen davon betroffen. Polizisten beklagen, in Problemvierteln hätten sie besseres zu tun, als Knöllchen an verschleierte Frauen zu verteilen. Eines hat das Gesetz bewirkt, und das ist ganz sicher im Sinne seiner Erfinder: Vorurteile und Beschimpfungen gegen diese Frauen und den Islam als Ganzen nehmen in Frankreich zu.

Die Diskussion, die die islamfeindlichen Passagen im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der AfD ausgelöst hat, sind in vielen Hinsichten aufschlussreich: Auf gerade einmal drei von 73 Seiten behandelt das vorgeschlagene Programm den „Islam im Spannungsfeld zu unserer freiheitlich-demokratischen Werteordnung“. Die Medien greifen diesen Punkt berechtigterweise auf, weil hier wieder einmal der rechtspopulistische Charakter der Partei deutlich wird. Der Bundesvorstand wiederum dürfte den Passus und einige seiner drastischen Formulierungen nicht ohne Kalkül aufgenommen haben: Für sie ist es absehbar, dass die Presse darüber berichtet. Und sie wissen: Bei den potentiellen Wählern kommt diese Botschaft an, wird das Signal verstanden. Rassistische Hetze unter dem Deckmantel der vermeintlichen Kritik an der Unvereinbarkeit von Demokratie und Islam gehört zu den typischen Motiven des „Besorgtbürger“-Spektrums. Allerdings gibt es auch noch Klärungsbedarf innerhalb der Reihen der AfD. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, findet etwa der rheinland-pfälzische AfD-Chef Uwe Junge die Vorstellungen Gaulands und von Storchs „zu simpel“ und sagt: "Ich denke nicht, dass sich diese Äußerung jetzt von Frau Storch und von Herrn Gauland in dieser Einfachheit halten lassen wird.“ Die endgültige Haltung der AfD klärt sich auf dem Bundesparteitag in zwei Wochen.

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Rechtsextreme Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung

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Von rechtsextremen Gruppen wird zielgerichtet eine Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung und ihre Vorstandsvorsitzende Anetta Kahane geführt. Neben täglicher Hetze in sozialen Netzwerken erreichen die Stiftung Hassbriefe und -E-Mails. Letzte Woche verschärfte sich die Situation. Am 18. April 2016 verklebte die rechte „Identitäre Bewegung Berlin Brandenburg“ Plakate und Flugblätter an die Eingangstür des Stiftungsbüros und blockierte den Eingang mit Absperrband. Unter dem Slogan „Hier betreten sie den Überwachungsstaat“ und mit der Abbildung des Emblems des Ministeriums der Staatssicherheit sollte die Amadeu Antonio Stiftung diffamiert werden. In einem begleitenden Text wurden einzelne Mitarbeiter und Anetta Kahane direkt genannt. Dem folgte der Aufruf: „Wehr dich! Es geht um deine Zukunft!“.  Drei Tage später wurde auf rechten Facebook-Seiten ein Bild des Stiftungsteams mit einem Link zur Namensliste geteilt. Wenn man wisse, wo Team-Mitglieder wohnten, „ergebe sich alles weitere von selbst“. Im Februar war einem Aufruf von „Anonymous.Kollektiv“ folgend bereits eine DDoS-Attacke auf die Webseiten der Stiftung erfolgt.
 

Pressemitteilung der Amadeu Antonio Stiftung 
 

Aktuelle Diffamierungsstrategie

Im Mittelpunkt der derzeitigen Diffamierungen steht die Behauptung, die Stiftung würde "im Auftrag" von Bundesjustizminister Heiko Maas Facebook und andere soziale Netzwerke zensieren und durch Löschen aktiv die Meinungsfreiheit einschränken. Besonders aggressiv wird dabei die IM-Vergangenheit von Anetta Kahane für diese Behauptung angeführt. Die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung gegen Hate Speech wird mit Spitzeldienst und Stasimethoden gleichgesetzt. 

1974 wurde Anetta Kahane im Alter von 19 Jahren als IM angeworben. 1982 beendete sie aus eigener Initiative die Kooperation mit dem Staatssicherheitsdienst, was zu erheblichen beruflichen und persönlichen Nachteilen führte. Sie engagierte sich danach für Bürger- und Menschenrechte, wurde selbst observiert und stellte schließlich einen Ausreiseantrag. Parallel engagierte sie sich für Migranten in der DDR und saß für das Neue Forum dazu am Runden Tisch.  

„Es ist eine Sache, meine Geschichte zu betrachten und darüber zu diskutieren. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn sie vollständig erzählt wird. Dann kann sie sehr lehrreich sein. Eine andere Sache ist es jedoch, wenn Halbwahrheiten für eine Diffamierungskampagne missbraucht werden. Mit dem Stasivorwurf soll generell verhindert werden, dass ausufernder Hass gegen Minderheiten im Netz auf der politischen Agenda bleibt und auch hier die Regeln des Rechtsstaates angewendet werden“, so die Gründerin und Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane.

Ein unabhängiges Gutachten von Dr. Helmut Müller-Enbergs, langjähriger IM-Forscher, wird jetzt öffentlich vorgelegt. Darin enthalten sind detaillierte Informationen über die Kooperation von Anetta Kahane mit dem Staatssicherheitsdienst und eine Bewertung der Folgen. Müller-Enbergs kommt darin zu dem Schluss: „Anhaltspunkte dafür, dass Frau Kahane im Rahmen ihrer inoffiziellen Kooperation mit dem MfS in den Jahren 1974 bis 1982 Dritten Nachteile zugefügt hat, ergeben sich im Ergebnis des Aktenstudiums, anderer Überlieferungen und der umfänglichen Interviews nicht.“

Das vollständige Gutachten kann auf der Webseite der Amadeu Antonio Stiftung eingesehen werden: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gutachten-anetta-kahane.pdf
 

Amadeu Antonio Stiftung geht in die Offensive

Auch Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, sieht in der aktuellen Hetzkampagne eine Reaktion auf das Engagement der Stiftung: „Die Plakataktion von Rechten vor unserer Haustür zeigt erneut, dass aktuell nicht nur Flüchtlinge im Fokus von Neonazis stehen, sondern auch diejenigen, die sich für geflüchtete Menschen einsetzen. Die Hasstiraden haben in den letzten Monaten eine neue Qualität erreicht. So genügt es den Rechten nicht mehr nur die Stiftung zu diffamieren, jetzt geht es gegen einzelne Kollegeninnen und Kollegen. Die persönlichen Anfeindungen gegen Anetta Kahane sind besonders aggressiv und häufig antisemitisch. Anetta Kahane gehört zu den wenigen, die von Anfang an offen mit ihrer Stasi-Vergangenheit umgegangen sind und sie aktiv aufgearbeitet haben."

Die Stiftung setzt sich nun mit juristischen Mitteln gegen Diffamierungen zur Wehr. „Wir haben uns dazu entschlossen die ausufernde Hetze im Netz und die Lügen, die über die Stiftung verbreitet werden, nicht mehr hinzunehmen. Gegen gezielte Diffamierung gehen wir jetzt juristisch vor“, so Anetta Kahane und Timo Reinfrank. Gegen das Magazin „Compact“ wurde bereits am 8. März eine einstweilige Unterlassungsverfügung durch das Landgericht Hamburg erteilt, nachdem im Februar in der Onlineversion des Magazins Diffamierungen über Anetta Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht worden waren. Durch das Landgericht Potsdam wurde zudem eine einstweilige Verfügung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung erlassen, der „Compact“ bereits nachkommen musste.

Zum Hintergrund: 

  • Angesichts der ausufernden Hetze gegen Geflüchtete in sozialen Netzwerken wurde von Seiten der Amadeu Antonio Stiftung öffentlich der dringende Bedarf an Strategien für den Umgang mit Hate Speech gefordert. Als Teil der von Bundesjustizminister Heiko Maas ins Leben gerufenen Task Force zum Thema „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ nimmt die Stiftung neben weiteren Akteuren an der Ausarbeitung von politischen Strategien für dieses Feld teil. 
  • In Kooperation mit Facebook im Rahmen der Online Civil Courage Initiative ist die Stiftung beratend tätig. Die Online Civil Courage Initiative bemüht sich um eine Stärkung der Gegenrede in Sozialen Netzwerken, ihr Inhalt ist weder das Löschen von Hass-Beiträgen noch eine Arbeit an den Richtlinien, nach denen dies geschieht. Das entscheidet das Unternehmen Facebook selbstverständlich allein. Weder ist die Stiftung an Entscheidungen über Löschungen von Beiträgen in sozialen Netzwerken beteiligt, noch werden Löschungen von MitarbeiterInnen der Stiftung durchgeführt.  
  • In direktem Zusammenhang damit  kam es am 19. Februar zu einer DDoS-Attacke auf die Webseiten der Stiftung und auf Webseiten der Bundesregierung. Die Attacke folgte dem Aufruf von „Anonymous.Kollektiv“, der im Vorfeld auch vom „Compact“ Magazin veröffentlicht wurde. Das LKA Berlin ermittelt.
     

Wie funktioniert diese diffamierende Hetze gegen Menschen, die sich für Demokratie und Minderheiten einsetzen?

Die Hetze gegen die Amadeu Antonio Stiftung und Anetta Kahane ist exemplarisch zu betrachten. Sie trifft derzeit viele, die sich für Demokratie, Geflüchtete und Gleichwertigkeit einsetzen. Menschen oder Organisationen werden zu "Hassbildern" stilisiert, wie ?? Martin Jander bei der Pressekonferenz in Berlin erläuterte. Das Ziel: Aufrufe zu Gewalt und Terrorismus. Im Fall von Anetta Kahane wird das Stereotyp der "jüdischen Kommunistin" genutzt, die die wahlweise "deutsche" oder "weiße" Gesellschaft zersetze. Die von Rechtsextremen und Rechtspopulist_innen verwendeten "Argumente" sind voll Hass, antidemokratisch, antisemitisch, sexistisch.

Wie solche Hetze in Sozialen Netzwerken und im Internet funktioniert, erläuterte Simone Rafael, Chefredakteurin von Netz-gegen-Nazis.de, in einer Präsentation - hier als Video:

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Identitäre Bewegung: Aus den sozialen Netzwerken auf die Straße

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Die Identitäre Bewegung marschiert vor Schloss Bellevue auf
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Screenshot Facebook

2012 noch war die Identitäre Bewegung (kurz IB) vor allem ein Internetphänomen. Die schwarz-gelben Ortsgruppen sprossen in den sozialen Netzwerken wie Pilze aus dem Boden. Von Bergisch Gladbach bis Wuppertal war bald jede Stadt im Bundesgebiet mit einer Facebook-Gruppe vertreten.  Im Vergleich mit den Verbündeten aus Frankreich und Österreich erschien die IB Deutschland allerdings lange Zeit marginal. Ihr alternatives Auftreten, geprägt von der Adaption linker Subkultur (Flashmobs, Mobilisierungs-Videos, Aufkleber) jedoch fiel auf. Die Süddeutsche Zeitung nannte sie den "popkulturellen Arm der Rechtsextremen". Doch das Auftreten der Identitären Bewegung Deutschlands hat sich verändert. Ihre Aktionen werden expliziter. Immer öfter trauen sie sich mit aggressivem Aktionismus aus ihrer virtuellen Komfortzone auf die Straße heraus. Kann man davon sprechen, dass die Identitäre Bewegung die derzeit aktivste rechtsextreme Jugendbewegung Deutschlands ist?
 

Von Trude Brinker

"Die Jugend ohne Migrationshintergrund – vergessen aber nicht wehrlos"

Eine unvollständige Auswahl von Aktionen der IB von Sommer 2015 bis Mai 2016:

  • Im Juni 2015 besetzen Aktivisten der IB Deutschland kurzzeitig Balkone der SPD Zentralen in Hamburg und Berlin und entrollen Banner mit Hassbotschaften (Spiegel Online).
  • Am 1. August 2015 errichten sie ein Protestcamp vor dem Sitz des deutschen Bundespräsidenten, Schloss Bellevue, in Berlin .
  • Im Vorlauf zur Landtagswahl im März 2016 mauern "Aktivist_innen" in Sachsen-Anhalt den Zugang zu Wahlbüros zu um zu verhindern, dass Migrant_innen an einer Probewahl teilnehmen können (Zeit Online).
  • Eine Duisburger Schule, die den Titel "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" trägt wird im April 2016 mit rassistischen Plakaten vollgeklebt (Der Westen).
  • Am 18. April gibt es einen Übergriff der Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg auf den Sitz der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Deren Eingang wird in einer nächtlichen Aktion mit Plakaten hetzerischen und verleumderischen Inhalts beklebt (ngn).
  • Im Mai verteilt die IB unter anderem in Potsdam Pfefferspray an in ihren Augen "deutsche Frauen" zur Verteidigung gegen "muslimische Männer" (PNN).
     

Vom Aktionismus zur Ideologie

Mit ihren Aktionen erfahren sie viel Aufmerksamkeit und schlagen so Brücken zu ihrer menschenverachtenden Ideologie. Diese fußt auf dem Konzept des Ethnopluralismus. Dieser „Rassismus ohne Rassen“ funktioniert ähnlich wie die „Ich bin ja kein Nazi, aber“ Attitüde. Die IB gibt vor, mit Rassismus nichts zu tun zu haben, schmückt ihre Aufkleber auch gerne mit Gesichtern, die von Neurechten als  „fremdvölkisch“ bezeichnet werden. Doch sollen die vermeintlich anderen Völker bleiben, wo sie sind. Schließlich ist die „Vermischung“ genau das, wovor sich die "Identitären" am meisten fürchten. Doch die Selbstdarstellung, dass das Hochleben der eigenen, völkischen Identität ohne eine Abwertung des Anderen einhergeht, darf bezweifelt werden. Schließlich funktioniert eine Volksgemeinschaft als Konstrukt nur durch die Abgrenzung von anderen, und der Hass auf Migrationsbewegungen ist in der rechten Szene und auch bei den "Identitären" allgegenwärtig. Oder wie ist das Verteilen von Pfefferspray zum Einsatz gegen  angebliche „muslimische Aggressoren“ zu verstehen?
 

Erinnerung an die Shoah als „Schuld-Knechtschaft der Deutschen“

Auch zum Thema Judenfeindschaft hat die Identitäre Bewegung Deutschlands etwas zu sagen: Die von Deutschen und ihren Helfer_innen begangenen Verbrechen gegen jüdische Menschen im Nationalsozialismus verurteilen sie auf ihren Blogs. Dass das Propagieren eines „deutschen Volkskörpers“ in seiner Konsequenz den Ausschluss von Jüdinnen und Juden bedeutet, lassen sie hierbei unerwähnt. Hingegen wird eine „Schuld-Knechtschaft der Deutschen“ herbeiphantasiert, die „unsichtbare Wirtschaftslobbies“ hinter den Kulissen fleißig betrieben, um das deutsche Volk in die Knie zu zwingen. Wer damit wohl gemeint ist? Wahrscheinlich dieselben gierigen Eliten, die angeblich den großen „Volksaustausch“ planen. Ein abstraktes Feindbild, das die Person des „ Jude“ mitschwingen lässt. Aber das sagt man ja so nicht mehr.
 

"Der große Austausch"

Die Kampagne "Stoppt den großen Austausch" der "Identitären Bewegung", die aktuell betrieben wird, enthält einige der oben genannten ideologischen Bausteine. In einem Flyer, der auf Facebook geteilt und in mehreren Städten (u.a. Fulda) verteilt wurde, heißt es: " Asylantenheime dienen nur vordergründig dem Wohl von Flüchtlingen. In erster Linie sind sie zur Bereicherung einiger weniger da." Der Tenor der Kampagne, die mit Flugblättern, dem Twitter-Hashtag #derAustausch, auf Facebook und mit Demonstrationen betrieben wird ist: eine Elite, bestehend aus Wirtschaftslobbyist_innen  und Politiker_innen, plane und betreibe aktiv einen Austausch des "deutschen und europäischen Volkes" gegen ein wie auch immer geartetes anderes Volk, das diesen Eliten hörig sei. Deshalb gäbe es auch gar keine Flüchtlingskrise. Diese sei nur ein Vorwand, um einen Krieg gegen das Volk zu führen. Als Vordenker der Idee des "großen Austauschs des Volkes" wird von der IB der französische Patriot Renaud Camus benannt, der seine Thesen in dem Buch (übersetzt) "Revolte gegen den großen Austausch" darlegt.
 

"Wir befinden uns im Krieg"

Die Asylsuche vieler muslimischer und nicht-muslimischer Menschen, die im vergangenen Jahr vor Krieg und Elend nach Europa flohen, markiert für die IB Deutschland, wie sie in zahlreichen Facebook-Posts verlauten lässt,  wohl eine Wende: Es sei an der  Zeit, die bürgerliche Fassade fallen zu lassen, um eben den "großen Austausch“ zu verhindern. Vielleicht sind so die vermehrten Aktionen und das Auftauchen des "identitären" Lambda-Symbols auf etlichen rechten und flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen  der vergangenen Monate zu erklären , etwa bei „Pegida“,  dem Leipziger Ableger "Legida" etwa ebenso wie auf AfD-Demonstrationen und der "Demo für Alle".  Aktuell sind einige Identitäre Ortsgruppengemeinsam mit bekannten Rechtsextremen dabei, den Tod des 17-jährigen Niklas P. aus Bonn für ihre menschenverachtende Propaganda zu missbrauchen und sich selbst als Opfer darzustellen. Auch wenn die "Identitären" auf ihren Blogs gerne etwas anderes behaupten, die Schwelle zur Zusammenarbeit mit Rechten und Neonazis haben sie längst überschritten.
 

In "der Szene" angekommen

Anfangs durchaus skeptisch beäugt, haben die "Identitären" mittlerweile einen festen Platz in der rechten Szene Deutschlands. Das lässt sich etwa daran erkennen, dass es personelle Überläufe und inhaltliche Überschneidungen mit der NPD  gibt. Während die „Identitäre Bewegung“ diese Verbindung anfangs negierte, ist sie doch inzwischen deutlich sichtbar. So sieht beispielsweise Rechtsaußen-Aktivistin Melanie Dittmer die Identitären als ihre nächste Karrierestufe nach der NPD-Jugendorganisation„ Jungen Nationaldemokraten“ und „Dügida“. Die NPD macht sich geschickten Argumentationen der "Identitären" zu eigen, vertrieb etwa ein T-Shirt mit dem Aufdruck: "Nicht links, nicht rechts, identitär". Auf rechten Seiten wie „PI-News“ und der „Blauen Narzisse“ werden die Identitären für ihre Professionalisierung und ihren "Mut zum Aktionismus" gelobt.

Auch in den Reihen der rechtspopulistischen AfD finden die Ideen der "Identitären“ Anklang:  So nahm etwa der sachsen-anhaltinische AfD-Landtagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt in Wernigerode an einer Identitären-Kundgebung "Stoppt den großen Austausch“ teil und sagte hinterher dem mdr dazu: "Die Bevölkerung wird ja in dem Sinne ausgetauscht, indem sie durch diese Asylbewerber ersetzt werden soll und gar nicht mehr angeregt werden soll zur eigenen Reproduktion der Bevölkerung."
 

Entlarven, aufklären, Standpunkt beziehen

Wenn sich die" Identitären "gegen den „Großen Austausch“  oder gegen Kapitalismus engagieren,  zitieren sie französische Philosophen und versuchen, in Debatten dabei zu sein. Den "Identitären" eilt ein Ruf voraus, eine intellektuelle Spielart des rechtsextremen Denkens zu vertreten. Tatsächlich tummeln sich in ihren Reihen auffällig viele junge Menschen mit einem hohen Bildungsabschluss. Sie versuchen sich auch an der Analyse komplexer gesellschaftlicher Vorgänge. Doch ihre Antworten bleiben einfach. Und gefährlich. Deshalb ist und bleibt es im Umgang mit der Identitären Bewegung besonders wichtig, ihre "Argumente" zu entlarven und einen klaren Standpunkt dagegen zu beziehen. Denn die  "Identitären" sind nicht nur fester Bestandteil der rechtsextremen Szene Deutschlands, sie sind auch aktuell vielleicht sogar die größte, zumindest aber die aktivste rechtsextreme Jugendbewegung, die es hierzulande derzeit gibt. 
 

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

 

Zum Weiterlesen:

Im Unrast Verlag ist 2014 ein Handbuch über die Identitäre Bewegung erschienen

 

Im Internet:

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"Ein Prozent für unser Land"– NGO der Neuen Rechten

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Die Beziehungen von "Ein Prozent für unser Land" in die rechtspopulistische Szene in Deutschland, visualisiert mit Fanpage Karma.
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fanpagekarma.com
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Neue Wege in der Hetze gegen Geflüchtete und Demokratie: Publizisten und Meinungsmacher aus der Neuen Rechten und aus dem AfD-Umfeld versuchen sich in Initiativen- und Crowdfunding-Arbeit. Das Ergebnis heißt „Ein Prozent für unser Land“, sieht gefällig aus, ist aber inhaltlich flüchtlingsfeindilch und organisatorisch dubios. 

Text Trude Brinker / Recherche Miro Dittrich, no-nazi.net

Am 13. November 2015 stellte Götz Kubitschek, neu-rechter Verleger, Redakteur der Zeitschrift "Sezession" und Gründer des "Instituts für Staatspolitik", die Initiative "Ein Prozent für unser Land" vor. Jürgen Elsässer, Herausgeber des verschwörungsideologischen Querfront-Magazins "Compact", nennt die Initiative gerne "Greenpeace für Deutschland". "Ein Prozent" inszeniert sich auf ihrer Homepage als "Graswurzelorganisation", deren inhaltlicher Aufhänger die angebliche  "Flüchtlingsinvasion oder auch Asylkatastrophe" ist. Sie wollen die "Auflösung der Rechtsordnung und der Staatlichkeit Deutschlands" durch eine "aufgezwungene Willkommenskultur" und "die Lügen der Politik und Medien" verhindern.

Der Name "Ein Prozent für unser Land" steht dafür, dass die Unterstützung von einem Prozent der Deutschen ausreichen soll,  um dieses Projekt zu verwirklichen. Weiter beschreiben "Ein Prozent" als Aufgaben "dokumentieren, vernetzen, recherchieren und klagen". Der Widerstand gegen die Asylpolitik der Bundesregierung soll durch "Ein Prozent" vernetzt und unterstützt werden, um "die Struktur einer wirkmächtigen Gegenbewegung aufzubauen": Also alle flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen, Bürgerinitiativen, Informationsveranstaltungen und ähnliches. Dafür betreibt sie nach eigener Angabe zur Finanzierung Crowdfunding.

 

 Was genau wird gefordert?

Die auf der Website und in sozialen Netzwerken verbreiteten Aussagen  von "Ein Prozent für Deutschland" zu ihren konkreten politischen Zielen und Vorgehensweisen bleiben mehr als schwammig. Auf ihrer Seite stehen die Forderungen:

  • Grenzsicherung gegen illegale Einreise

  • Registrierung und konsequente Abschiebung aller bereits illegal Eingereisten

  • Schutz des Volks- und Privateigentums.

 

Wer ist beteiligt?

Neben Götz Kubitschek  sind weitere bekannte Unterstützer von "Ein Prozent für unser Land" der Querfront-Publizist und Herausgeber des Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, der Strafrechtler und AfD-Sympathisant Prof. Karl Albrecht Schachtschneider und der Vorsitzende der Patriotischen Plattform (PP) in der AfD, Dr. Hans-Thomas Tillschneider. Als Leiter des Projekts "Ein Prozent" tritt auf der Homepage Philip Stein auf, unter anderem Sprecher der Burschenschaft Germania Marburg. Maßgeblich unterstützt wird er von Martin Sellner, Gallionsfigur der "IB Wien".

Das Projekt "Ein Prozent" ist also als ein Gemeinschaftsprodukt der Neuen Rechten aus Deutschland und Österreich einzustufen. Klar kommuniziert wird von diesen "prominenten Vertretern" aber immer wieder, dass man mit "Ein Prozent" vor allem die unterstützen möchte, die sich aktiv auf der Straße für "die Interessen der Deutschen" einsetzen. Eine klare Abgrenzung zu gewaltbereiten Neonazis wird nicht gezogen. Das große Feld der "Asylkritiker" scheint auch diese mit einzuschließen (Thüringen Rechtsaußen).
 

   

 

 

Öffentlichkeitswirksame Aktionen:

Mit drei Aktionen schaffte "Ein Prozent" es in seit November 2015 öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten:

  • Februar 2016: Prof. Karl Albrecht Schachtschneider, Götz Kubitschek  und Jürgen Elsässer reichen stellvertretend für "Ein Prozent" Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung ein. Ziel: Die Bundesregierung soll die deutschen Grenzen schließen und so "gegen die illegale Einreise von Ausländern" schützen. In Folge der angeblichen Missachtung dieser staatlichen Aufgabe fordert "Ein Prozent für Deutschland" Bundeskanzlerin  Angela Merkel und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel abzusetzen (Deutschlandfunk/neues deutschland).


 

  • Nach eigenen Angaben sammelte "Ein Prozent" mit einem Spendenaufruf  auf ihrer Seite 10.000 Euro um die" Identitäre Bewegung Österreich" zu unterstützen. Mit den 10.000 Euro sollten Schäden, die bei einer "Grenzdemonstration" der "IBÖ" entstanden waren, beglichen werden.

  • Im März 2016 lief die "Ein Prozent" Kampagne "Werde Wahlbeobachter – Merkel auf die Finger schauen", die dazu aufrief, die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu überwachen. Dazu wurden aufwendige Videos produziert und etliche Artikel auf der Homepage und in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Die Neutralität der Wahlbeobachter_innen darf jedoch angezweifelt werden: "Ein Prozent" forderte auf: "Gebt eure Stimme der AfD" (Stuttgarter Zeitung).

 

 

Ausblick

"Ein Prozent"  stellt den Versuch dar, unterschiedliche Akteure der Neuen Rechten zu vernetzen. Sie erfahren offen Unterstützung aus der AfD. Insgesamt hat die Kampagne ein sehr professionelles Auftreten. Es werden aufwendige Videos produziert und es gibt einen hohen Output an Artikeln und große Aktivität in den sozialen Netzwerken.

Seit der Gründung am 13. Oktober 2015 hat „Ein Prozent“ schon über 20.000 Fans bei Facebook, über  2.600 Follower auf Twitter und knapp 2.000 Abonnent_innen bei Youtube gewonnen. Dabei haben sie auf ihrer Webseite seit Beginn des Jahres 49 Artikel gepostet, auf Youtube 22 Videos hochgeladen, 12 davon in diesem Jahr. Über Twitter und Facebook posten sie im Durchschnitt ~1,5 Beiträge am Tag.

Mit der Unterstützung prominenter Gesichter der Neuen Rechten schaffte "Ein Prozent für unser Land" es seit November 2015,  mit ihren Aktionen mehrmals mediale Aufmerksamkeit zu bekommen und somit  ihre Themen zu setzen. Außerdem gibt es Verbindungen zur extremen Rechten.

Neu ist auch, wie offensiv die neurechte Initiative Crowdfunding eingesetzt, also Gelder vonPrivatmenschen für eigene und weitere Aktionen des flüchtlingsfeindlichen Spektrums zu werben versucht. Für ihre eigene Arbeit veranschlagt „Ein Prozent“ laut Eigenangaben 3.000 Euro pro Monat für Dokumentation, 1.500 Euro für Recherchen und 1.500 Euro für Vernetzung. Da sie jedoch keine öffentliche Rechenschaft darüber ablegen, in welchen Höhen Gelder akquiriert werden und wie diese generell aufgeteilt werden, trügt der Crowdfunding-Charakter der Seite. So bleibt auch fraglich,  wie viele Unterstützer_innen tatsächlich die Kampagne tragen und wie sie finanziell aufgestellt ist.

 

Weitere Informationen findet ihr hier:

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Identitäre besetzen Brandenburger Tor - warum?

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"Identitäre Bewegung" besetzt Brandenburger Tor.
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picture alliance / dpa
www.picture-alliance.de

Neurechte junge Männer der „Identitären Bewegung“ hängen ein Banner ans Brandenburger Tor in Berlins Mitte und feiern sich dafür, für die „Festung Europa“ geworben zu haben. Damit überzeugen sie zwar keinen – zeigen aber wachsendes Selbstbewusstsein und den Willen, Aufmerksamkeit für ihre rassistische und ausgrenzende Ideologie auch mit persönlichen Nachteilen zu bezahlen.
 

Von Marie Montag
 

Es war ein Coup: Rund zehn junge Männer tauchen am Samstag, den 27.08.2016, auf dem Brandenburger Tor auf. Sie schwenken gelb-schwarze Fahnen, zünden Bengalos und hängen ein großes Banner auf, das fast über die gesamte Breite des Berliner Wahrzeichens reicht. Darauf der Spruch: „Sichere Grenzen - Sichere Zukunft“. Die Männer, die das geschichtsträchtige Bauwerk besetzen, gehören zu der "Identitären Bewegung", dem jugendkulturellen Arm der Neuen Rechten. Einer von ihnen schimpft durch ein Megafon auf die Politik und auf all diejenigen, die seiner Meinung nach die Realität nicht erkennen. Er spricht auch von Grenzen, von Sicherheit und Identität. Die Bilder der Besetzung machen Eindruck – und genau das sollen sie auch: Mit der Aktion versucht die Gruppe entschiedener als bisher, in den öffentlichen Raum zu drängen.

Die Besetzung des Brandenburger Tors wird nach knapp einer Stunde beendet. Die alarmierte Polizei klettert schließlich selbst auf das Brandenburger Tor, holt die "Identitären" herunter und nimmt ihre Personalien auf. Nach eigenen Angaben der "Identitären" werden sie anschließend für sechs Stunden in Gewahrsam genommen. Gegen sie wird nun wegen Hausfriedensbruch, Nötigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Warum und wie genau sie überhaupt trotz Sicherheitsbewachung auf das Brandenburger Tor gelangen konnten, ist bisher noch nicht geklärt.

Wie auch bei vorangegangenen Aktionen feiern sich die „Identitären“ hinterher in Sozialen Netzwerken – und sparen nicht am Pathos:  Einen Tag nach der Aktion schreiben sie bei Facebook: " Die gestrige Besetzung in Berlin auf dem symbolträchtigen Brandenburger Tor war ein großer Meilenstein im Kampf um die Reconquista in Europa." Ein paar Plakate als ein Meilenstein? Im Kampf um was?

Die Welt der „Identitären“ hat ihre eigene Realität – was Selbst- und Fremdbilder angeht.  „Reconquista“  bezieht sich auf die christliche Rückeroberung der iberischen Halbinsel von arabischen Eroberern – im Mittelalter. Auch heute sieht die "Identitäre Bewegung" sich, „ihr“ Land und gar Europa bedroht: Deshalb sollen sich Europäer_innen gegen die angeblich "einfallenden" Muslim_innen wehren. Tun sie aber nicht, deshalb halten die „Identitären“ PR für ihren Rassismus für notwendig. Zur Aktion auf dem Brandenburger Tor gibt es natürlich ein Video. Hier fordern die "Identitären" die "Remigration" von Geflüchteten und Migrant_innen – „Ausländer raus“ klingt so sanfter und akademischer. Die Ideologie dazu heißt Ethnopluralismus: Nach Vorstellung der „Identitären“ haben „alle Völker ein eigenes Territorium“, eine „Vermischung der Völker“ wird strikt abgelehnt. Sie fordern deshalb eine "Festung Europa, die ihre Grenzen klar verteidigt".
 

"Sommer des Widerstands"
 

In Deutschland gründen die "Identitären" 2012 zunächst vor allem Facebookgruppen, die kaum Wirkung außerhalb des Internets entfalten. Sie werden unterstützt von neurechten Zeitungsprojekten und Think Tanks, nutzen moderne Bildsprache, rebellische Wortwahl und bedrohliches Pathos. Trotzdem ist die Außenwirkung gering.

Erst 2015 ändert sich die Strategie in Deutschland, die" Identitären" versuchen jetzt regelmäßig Schlagzeilen mit Aktionen auf der Straße zu machen. Auch in Berlin sind die schätzungsweise 15 bis 20 „Identitären“ im vergangenen Jahr deutlich präsenter geworden.

Anfang März 2016 kommen rund 120 Unterstützer_innen zu einem „Deutschlandtreffen“ zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Man habe beschlossen, die Organisation in verschiedene Ressorts zu strukturieren, heißt es nach dem Treffen auf dem Blog des neurechten Magazins „Blaue Narzisse“. So könne „die gesamte strategische Planung von den technischen Voraussetzungen über die Finanzplanung bis zum Aktivismus auf der Straße" gestaltet werden, so der offenbar angetane Autor. Martin Sellner, der führende Kopf der Identitären Bewegung in Wien, ruft bei dem Treffen außerdem dazu auf, „aktiv Gesicht zu zeigen“ und „Ängste in Bezug auf soziale Reputation und Karriere zu überwinden“.

Für 2016 kündigt die "Identitäre Bewegung" schließlich einen "Sommer des Widerstands" an.
 

Das Aktionsmuster: Kurzes, überraschendes Auftreten mit professioneller Nachbereitung
 

In der Folge kommt es zu "Flashmobs" an den Hauptbahnhöfen der Metropolen Hamburg, Frankfurt und München im Juli 2016: Zunächst stehen die "Identitären" am Bahngleis, sie präsentieren "Refugees Welcome"-Plakate. Passant_innen, die die Inszenierung zunächst für echt halten, bleiben stehen und zeigen ihren Zuspruch. Plötzlich ersetzen die "Identitären" die Banner, werben für "die Festung Europa" und zeigen Slogans wie "No Way –You will not make Europe your Home" (eine Anspielung auf die abschottende Asylpolitik und die "No Boat"-Kampagne der australischen Regierung). Das Spektakel dauert nur wenige Minuten. In einem anschließend veröffentlichten Kommentar heißt es über die irritierten Passant_innen: "Die überraschende Wende und das offene Skandieren der Protesthaltung gegen diese Politik weckten die Reisenden aus ihren multikulturellen Tagträumen.“ Positiver Nebeneffekt für die Aktivist_innen: Wer schnell wieder weg ist, wird auch nicht zur Rechenschaft über sein Tun gezogen. Dass die Aktionen für die Passant_innen größtenteils unverständlich sind, ist den Neurechten egal: Ihr Publikum wartet im Internet.

Ein weiteres Beispiel, ebenfalls im Juli: Als Reaktion auf den Terroranschlag in Nizza färben "Identitäre" das Wasser von Brunnen in mehreren Stadtzentren rot. Öffentlichkeit bekommt die "Identitäre Bewegung" erst nachträglich, vor allem durch die Verbreitung der Bilder in sozialen Netzwerken. Rote Brunnen? In der Welt der Identitären macht das Sinn: "Damit wird verdeutlicht, zu was eine unkontrollierte Masseneinwanderung aus überwiegend islamisch geprägten Ländern führen wird. Wir riskieren unseren inneren Frieden und importieren Gewalt und Terrorismus", hetzt beispielsweise die Leipziger Gruppe nach der Aktion bei Facebook.

Es fällt auf, dass die Aktionen einem immer gleichen Muster folgen: "Eine überschaubare Zahl von Identitären taucht überraschend auf und verschwindet in der Regel ebenso schnell wieder. Sie wählen dafür symbolisch aufgeladene Orte, an denen kein nennenswerter Widerstand zu erwarten ist. Ihre Aktionen bedienen eine popkulturelle Ästhetik und werden mit professionellen Videobeiträgen in den sozialen Netzwerken auf- und nachbereitet", heißt es in einer Analyse der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR).
 

Aktion auf Brandenburger Tor hat neue Dimension
 

Die Aktion auf dem Brandenburger Tor folgt dem altbekannten Muster nur in Teilen, hier lässt sich ein neues Selbstbewusstsein, eine neue Dimension der Präsenz im öffentlichen Raum beobachten. Anders als bisher konnten und wollten die "Identitären" diesmal nicht einfach nach ein paar Minuten wieder verschwinden. Auch eine Anzeige war vorhersehbar. Dazu heißt es auf der Facebookseite der "Identitären Bewegung": Auf dem Brandenburger Tor seien "junge Aktivisten" gewesen, "die bewusst ein hohes Risiko in Kauf nehmen." Im Internet werden sie dafür als rebellische Helden der Bewegung gefeiert. Auf dem Blog "Politically Incorrect" heißt es in einem Kommentar zu einem Bild der Aktion: "Dieses Foto wird in nicht allzu ferner Zukunft Eingang in die Geschichtsbücher unserer Schulen finden als Symbol für eine aufrechte der eigenen Kultur verbundenen Jugend." Ganz so stark ist die Jugend allerdings doch nicht, wenn man sich die Beschwerden im Netz anschaut, man sei doch viel länger bei der Polizei festgehalten worden als „andere“ Aktivist_innen.

Bei der Einnahme von öffentlichen Plätzen geht es um Aufmerksamkeit. Die ist für die „Identitäre Bewegung“ und ihre Sympathisant_innen besonders wichtig – schließlich wähnt man sich von Presse und Politik unterdrückt. So werden alle rassistischen und islamfeindlichen Thesen gedroschen, die im rechtspopulistischen, neurechten und „islamkritischen“ Umfeld beliebt sind: Der angeblich stattfindende „große Austausch" der europäischen Kultur gegen eine andere, durch „unkontrollierte Massenzuwanderung“, dann der „Verlust der eigenen Identität durch Überfremdung“. Dies soll die Gesellschaft spalten, ein Klima der Angst schaffen – und deutlich signalisieren: Wir sind hier, mitten unter Euch.

Entsprechend begeistert ist dann auch der neurechte Vordenker Götz Kubitschek, den die F.A.Z. zur Aktion befragt: „Aktionen wie die der Identitären Bewegung auf dem Brandenburger Tor folgen einer Raum- und Wortergreifungsstrategie innerhalb der Medienmechanismen unserer Zeit", sagt Kubitschek. „Was man sonst nicht mitbestimmen kann und darf, etwa die tägliche Berichterstattung über existentielle Themen, kann man auf diese Weise anstoßen und schlagartig prägen".  Wieder eine Narration der neuen Rechten: Dass über das Thema Migration, Flucht und Integration aktuell nicht genug medial berichtet werde, ist schlicht eine Farce – dass der Ton der Berichterstattung den Neuen Rechten nicht gefällt, ist dagegen anzunehmen. Und sie fühlen sich damit offenkundig nicht allein: Dem Aufruf Martin Sellners, "Gesicht zu zeigen", folgten die „Identitären“ auf dem Brandenburger Tor. Auf den Fotos bei Facebook sind fast alle der teilnehmenden Mitglieder deutlich zu erkennen. Angst vor sozialer Ausgrenzung haben sie offensichtlich nicht mehr.

 

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:
 

 
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Monatsüberblick September 2016: Rechtspopulismus – AfD, Pegida und Neue Rechte

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Björn Höckes Profil bietet fast jeden Tage ein neues Beispiel für menschenverachtende Äußerungen.
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Darin: "Von Wutbürgern und Brandstiftern": Neue Studie zu AfD und Pegida +++ "Pro"-Parteien werden bei kommenden Wahlen nicht antreten +++Tatjana Festerling und Edwin Wagensveld kurzzeitig festgenommen +++ Übergriff auf Journalisten in Dresden +++ "Pegida"-Gründer Lutz Bachmann wandert nach Teneriffa aus +++ Dubioser Verein hilft der AfD in Landtagswahlkämpfen +++ AfD holt in MV 20,8 Prozent der Stimmen mit gleichen Themen wie NPD +++ AfD in Berlin bei 14,2 Prozent - in allen Parlamenten vertreten +++ "Aufstehen gegen Rassismus": Mehrere Tausend Menschen demonstrieren gegen die AfD +++ AfD-Spitzenkandidat verkauft Hakenkreuze +++ AfD-Abgeordneter bedauert, dass Terroranschläge nicht Merkel getroffen haben +++ Frauke Petry: Begriff "völkisch" wieder positiv besetzen +++ Treffen in Berlin: Schulterschluss der Neuen Rechten +++ "Identitäre Bewegung" stört Radioeins-Livesendung mit Jakob Augstein

 

Zusammengestellt von Carina Schulz

 

Rechtspopulismus allgemein

"Von Wutbürgern und Brandstiftern": Neue Studie zu AfD und Pegida

Der Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke hat eine neue Studie vorgelegt, in der er sich mit der AfD und Pegida beschäftigt. Sein Buch "Von Wutbürgern und Brandstiftern" geht über eine bloße Analyse hinaus: Funke versteht sein Buch auch als Mahnung an die etablierten Parteien. Vor allem die CDU habe in den östlichen Bundesländern versagt, als es in der Flüchtlingskrise darum ging, rechtsextremer Hetze und Gewalttaten entgegenzutreten. Funke sagt, AfD und Pegida mobilisierten durch die „Entfesselung von Ressentiments“ – gewollt oder nicht – neonazistische Gewalt. Der Erfolg der AfD speise sich vor allem aus ihrer "rechtspopulistischen Taktik". Die Parteispitze versuche, sich in der Öffentlichkeit moderat zu geben. In der Ausrichtung habe sich die Partei aber "radikal entwickelt". Funke schreibt: "Nichts geht ohne den radikalen Flügel. Er ist mächtiger denn je und immer dazu bereit, jene, die die Partei offiziell repräsentieren, vor sich herzutreiben." Der Thüringer AFD-Fraktionschef Björn Höcke und Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg seien die beiden wichtigsten Repräsentanten der radikalen Strömung innerhalb der AfD (Welt).

 

UN-Menschenrechtskommissar gegen Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit

Said Raad al-Hussein, der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen, hat Bürger_innen weltweit dazu aufgefordert, sich gegen Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit zu stellen. In einer Rede bei einer Sicherheitskonferenz in Den Haag kritisierte er neben dem niederländischen Politiker Geert Wilders auch US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, Ungarns Regierungschef Viktor Orban und die Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen. Sie alle würden "mit Halbwahrheiten und Vereinfachungen" um die Stimmen verunsicherter Wähler_innen werben (Süddeutsche Zeitung).

 

Rechtspopulismus bei Vorlesungsreihe des Dachauer Forums

Die Vorlesungsreihe für Senior_innen des Dachauer Forums begann mit einem Vortrag des Redners Josef H. Reichholf. Der Evolutionsbiologe, Buchautor und Honorarprofessor an der TU München war eingeladen worden, um über Migrationsbewegungen in der Geschichte der Menschheit bis heute zu sprechen. In seinem Vortrag äußerte er sich aber dezidiert politisch. Seine Ausführungen erinnerten an die Argumentation rechter Populist_innen: "Die Politik hat versagt - wir haben keine Vorgaben bekommen, wie wir mit Migration umgehen sollen", sagte er. Geschäftsführerin Annerose Stanglmayr distanzierte sich noch am gleichen Abend von den Aussagen Reichholfs (Süddeutsche Zeitung).

 

"Pro"-Parteien werden bei kommenden Wahlen nicht antreten

Angesichts der Wahlerfolge der AfD wollen die rechtspopulistischen "Pro"-Parteien im nächsten Jahr weder bei den drei anstehenden Landtagswahlen, noch bei der Bundestagswahl kandidieren. Manfred Rouhs, Chef von "Pro Deutschland", kündigte an, seine Partei werde "künftig mehr Bürgerbewegung sein und weniger Partei". Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin war die rechtspopulistische Formation von 1,2 auf 0,4 Prozent abgestürzt. Selbst in den Schwerpunkt-Bezirken Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf habe es nur für 1,7 beziehungsweise 1,5 Prozent gereicht, beklagte Rouhs (Blick nach Rechts).

 

Mehr im Monatsüberblick zu Homo- und Transfeindlichkeit, Gender und Sexismus

  • "Berliner Manifest" warnt LGBTIQ vor der Vereinnahmung durch Rechtspopulist_innen

  • Rechtspopulistische Demo „Marsch für das Leben“: 4.500 Antifeminist_innen in Berlin

  • "Demo für alle"-Bündnis will modernisierte Richtlinien zum Sexualkundeunterricht in Bayern stoppen

 

Pegida

Tatjana Festerling und Edwin Wagensveld kurzzeitig festgenommen

Bei einer Demonstration gegen Geflüchtete im holländische Den Haag sind Tatjana Festerling und Edwin Wagensveld, die beide durch "Pegida" bekannt geworden sind, kurzzeitig verhaftet worden. Zusammen mit zwei weiteren Rednern wurden sie von der Polizei von der Bühne geholt. Grund war eine Hakenkreuz-Abbildung auf ihren T-Shirts. Darauf fliegt das Hakenkreuz symbolisch mit einer IS-Flagge, einer PKK-Fahne und einem Symbol der antifaschistischen Bewegung in einen Mülleimer. Festerling und Wagensveld wurden bereits zum wiederholten Mal wegen der T-Shirts festgenommen. In der vorangegangenen Woche hatten sie diese vor einem Gericht in Amsterdam nicht ausziehen wollen und wurden daraufhin ebenfalls kurzzeitig verhaftet. Wagensveld musste sich dort verantworten, weil er sich weigerte, eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro zu zahlen – die ihm für das Tragen des besagten T-Shirts bei einer Demo im Februar auferlegt worden war (Sächsische Zeitung).

 

Übergriff auf Journalisten in Dresden

Am Rande des wöchentlichen "Pegida"-Aufmarsches in Dresden ist es erneut zu einem Übergriff auf einen Journalisten gekommen. Mehrere Männer verfolgten ihn bis in ein Einkaufszentrum. Dort umringten sie ihn im Untergeschoss, hielten ihn fest, bedrängten und bedrohten ihn. Wenige Minuten später kam es zu einer erneuten Bedrohung in einem Geschäft im Obergeschoss des Einkaufszentrums. Eine Verkäuferin rief die Polizei, daraufhin flüchteten die Angreifer (Sächsische Zeitung).

 

"Pegida"-Gründer Lutz Bachmann wandert nach Teneriffa aus

Es klingt wie ein schlechter Scherz: In Deutschland gegen "kriminelle Einwanderer" hetzen und anschließend selbst als Vorbestrafter ins Ausland ziehen. Für "Pegida"-Mitbegründer Lutz Bachmann ist das offensichtlich kein Widerspruch, er wandert angeblich nach Teneriffa aus. Öffentlich gemacht hatte das Tatjana Festerling, eine Ex-Mitstreiterin des "Pegida"-Mitbegründers. Damit verschärft sich der Streit zwischen Bachmann und Festerling, die sich gegenseitig vorwerfen, der "Bewegung" zu schaden. Für den 3. Oktober rufen sowohl "Pegida" als auch Festerlings "Festung Europa" zeitgleich zu Veranstaltungen nach Dresden auf, wo an diesem Tag der Tag der Deutschen Einheit gefeiert wird. Bachmann stellte seinen Anhänger_innen nach den Vorwürfen durch Festerling die "Vertrauensfrage". Per Handzeichen stimmten die Kundgebungsteilnehmer_innen mehrheitlich für den Verbleib von Bachmann (Netz gegen Nazis).

 

"Pegida" kündigt Webshop an

Zum Auftakt einer "Pegida"-Demo in Dresden kündigte Lutz Bachmann einen Webshop an. Zwei Jahre hätte er sich gegen die "Kommerzialisierung" der Bewegung gewehrt, sagte Bachmann. Doch weil inzwischen "Pegida"-T-Shirts in Holland verkauft werden, wolle er den "Abzockern" das Geschäft nicht überlassen. Wen Bachmann damit konkret meinte, blieb unklar (Sächsische Zeitung).

 

München: "Bagida" verlegt Demo zu Protestcamp von Geflüchteten

"Bagida" hat die Route ihrer allwöchentlichen Demo verlegt. Anstatt wie üblich vor der Feldherrnhalle zu demonstrieren, meldeten sie eine Kundgebung am Sendlinger Tor an. Dort lebten zum Zeitpunkt der "Pegida"-Demo mehrere Dutzend Flüchtlinge in einem Protestcamp, um friedlich zu demonstrieren und auf ihr Bleiberecht aufmerksam machen (Focus). Das Bündnis "NoBagida" mobilisierte zu einer Gegendemonstration.

 

Wieder mehr Demonstrant_innen bei "Pegida" und Gegendemos in Duisburg

"Pegida" und die Gegendemos am Duisburger Hauptbahnhof werden wieder stärker. Insgesamt rund 450 Menschen waren bei den Demos, mehr als die Hälfte davon ist bei "Pegida" mitmarschiert. "Pegida" hatte vor einigen Wochen entschieden, nur noch einmal im Monat in Duisburg aufzulaufen - offenbar weil zuletzt immer weniger Leute bei der Demo waren (Radio Duisburg).

 

AfD

Vor den Wahlen: Bundeskriminalamt warnt vor AfD-Propaganda

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts, wirft der AfD vor, Rassismus "salonfähig" gemacht zu haben. Kurz vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern warnte das Bundeskriminalamt (BKA) vor der Propaganda der AfD. Sie biete für die rechte Hetze im Internet "den ideologischen Nährboden und verleiht ihr einen legalen Anstrich", sagte Münch im Interview mit dem Tagesspiegel. Menschen, die rassistische Hetze verbreiten, werde das Gefühl gegeben, "sich mit ihrer Weltanschauung in einem gesellschaftsfähigen Rahmen zu bewegen".

 

Dubioser Verein hilft der AfD in Landtagswahlkämpfen

Der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten" hilft der AfD mit Plakaten im Wahlkampf. Er unterstützte die AfD auch bereits im Frühjahr in den Landtagswahlen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit einer massenhaft verteilten kostenlosen Postille namens "Extrablatt". Woher genau die Spenden kommen, ist nicht bekannt. Nach Spiegel-Recherchen gibt es Hinweise auf das Umfeld der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP).  Eigentlich müssen Parteien Großspenden bei der Bundestagsverwaltung angeben. Da die AfD allerdings behauptet, dass sie keine Kontakte zu dem dubiosen Verein unterhalte und somit keinen Einfluss auf die Werbemaßnahmen habe, hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) keine Handhabe, gegen die Partei vorzugehen (Spiegel).

 

Wahlen I: AfD holt in MV 20,8 Prozent der Stimmen mit gleichen Themen wie NPD

In Mecklenburg-Vorpommern zog die AfD praktisch mit den gleichen Themen in den Wahlkampf wie die NPD. Sie war damit erwartbar erfolgreich, holte 20,8 Prozent der Stimmen und ist damit zweitstärkste Kraft im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern (Netz gegen Nazis).  Vor dem Wahlerfolg hatte die AfD bekannt gegeben, dass sie sich auch vorstellen könne, Anträge der NPD im Landtag zu unterstützen. "Man muss in einem Parlament in der Sache abstimmen", sagte Bundeschef Jörg Meuthen dem Mannheimer Morgen.

 

Wahlen II: AfD in Berlin bei 14,2 Prozent - in allen Parlamenten vertreten

Auch in Berlin konnte die AfD zahlreiche Stimmen gewinnen, kommt insgesamt auf 14,2 Prozent der Zweitstimmen und fünf Direktmandate. Während die Mitte der Stadt demokratisch, weltoffen und vielfältig wählt, offenbaren die Ränder der Stadt, dass auch hier menschenfeindliche Positionen punkten konnten, wo der positive Kontakt zu Vielfalt fehlt (Netz gegen Nazis).

 

Wahlen III: Umstrittener Berliner AfD-Kandidat Kay Nerstheimer tritt Fraktion nicht bei

Der wegen menschenverachtender Äußerungen in der Kritik stehende AfD-Kandidat, Kay Nerstheimer, erhielt bei den Berliner Senatswahlen ein Direktmandat (ngn berichtete). Trotzdem wird er nicht Mitglied der neu gegründeten AfD-Fraktion. Er erklärte nach einem Gespräch mit Landesparteisprecher Ronald Gläser schriftlich seinen Verzicht auf eine Fraktionszugehörigkeit. Nerstheimer hatte sich in der Vergangenheit Medienberichten zufolge in rechtsextremen Gruppen und Internetforen engagiert. Aufgefallen war er besonders durch seine extrem islamfeindlichen Positionen. 2012 bezeichnet er sich in Online-Kommentaren als Leader der Berlin Division der "German Defence League", die die "christliche Tradition vor dem Islam schützen" will. "Die GDL wird als Miliz aufgebaut und trainiert", schrieb Nerstheimer (Neues Deutschland).

 

"Aufstehen gegen Rassismus": Mehrere Tausend Menschen demonstrieren gegen die AfD

Zwischen 2500 (Polizeischätzung) und 5000 (Angabe der Veranstalter_innen) Menschen protestierten am 03.09.2016 in Berlin gegen die AfD. Aufgerufen hatte das Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus". Bei der Auftaktkundgebung sprachen die Redner_innen nicht nur über die flüchtlingsfeindliche Hetze der AfD, sondern auch über ihre neoliberal geprägte Sozialpolitik und ihr reaktionäres Familienbild. Dort sprach auch eine Vertreterin des Blockupy-Bündnisses, das am Tag zuvor vor dem Bundesministerium für Arbeit protestiert hatte. Angeführt wurde die Demonstration von einem rund 1000 Menschen umfassenden Block unter dem Motto "Grenzenlos feministisch – grenzenlos solidarisch". "Das Feindbild Feminismus ist neben Rassismus das zweite Standbein der AfD, antirassistischer Feminismus ist deswegen unser zentraler Gegenentwurf", sagte Anna Berg von der im Bündnis organisierten Interventionistischen Linken, die zu dem Block aufgerufen hatte (taz).

 

AfD-Spitzenkandidat verkauft Hakenkreuze

Nach Recherchen von "Stern" und dem ARD-Magazins "Panorama" hat Rudolf Müller, Spitzenkandidat der AfD im Saarland, in seinem Antiquitätengeschäft Hakenkreuze und Geld aus Konzentrationslagern verkauft. Dabei soll es sich auch um Scheine aus dem Lager Theresienstadt handeln. Nachdem der "Stern" von dem Gerücht gehört hatte, dass der 65-jährige NS-Gegenstände verkaufe, schickte er ihm einen Testkäufer, der bei einem Besuch einen Geldschein aus Theresienstadt erstand. Müller habe ihm auch etliche Orden, Verdienstkreuze und Medaillen gezeigt, von denen einige ein Hakenkreuz besaßen. Der Verkauf von Nazi-Orden mit Hakenkreuz ist laut Strafgesetzbuch, Paragraph 86a, in Deutschland verboten. Gegenüber "Panorama" behauptete Müller, dass er nicht gewusst habe, dass er mit seinen Geschäften gegen das Gesetz verstoße. Im März wurde bereits aufgedeckt, dass die beiden AfD-Landesvorsitzenden Josef Dörr und Lutz Hecker intensive Kontakte in die rechtsextreme Szene gepflegt haben. Der Bundesvorstand der AfD wollte den Landesverband Saar daraufhin auflösen. Das Verfahren vor dem parteiinternen Schiedsgericht läuft noch.

 

AfD in Baden-Württemberg nach Antisemitismus-Streit wieder vereint

Die Landtagsfraktionen AfD und Alternative für Baden-Württemberg (AFB) sind auf dem Weg der Wiedervereinigung. Auf einer Klausurtagung einigten sich die Mitglieder  darauf, in den kommenden Wochen Schritte für die erneute Zusammenführung auszuhandeln. Der frühere gemeinsame Fraktionschef Jörg Meuthen wurde auf der Tagung bereits mit "hoher Zustimmung" der Abgeordneten der Rest-AfD sowie der abgespaltenen ABW zum neuen Vorsitzenden gewählt (Zeit). Damit vereint sich die Gruppe um Jörg Meuthen wieder mit denen, die (auch öffentlich) den Antisemitismus von Wolfgang Gedeon nicht so schlimm finden. Als die Fraktion keine Zweidrittelmehrheit zustande gebracht hatte, um den durch antisemitische Äußerungen aufgefallenen Abgeordneten Gedeon aus der Fraktion auszuschließen, war Meuthen mit 13 weiteren Abgeordneten ausgetreten und hatte die ABW-Fraktion gegründet (NgN berichtete).  Mit der formellen Wiedervereinigung will man noch bis Oktober warten. Dann bliebe noch genug Zeit für AfD und ABW, um einen Untersuchungsausschuss zu Linksextremismus einzusetzen. Der Landtag hat laut Geschäftsordnung einen Ausschuss einzusetzen, wenn zwei Fraktionen das fordern. Die Geschäftsordnung sagt bislang nichts darüber, ob die Mitglieder der zwei Fraktionen der gleichen Partei angehören dürfen, wie das bei AfD und ABW der Fall ist (Stuttgarter Zeitung).

 

Antisemitismus-Vorwürfe gegen Neusser AfD-Politiker Günter Weinert

. Siehe Monatsüberblick Antisemitismus

 

AfD-Abgeordneter bedauert, dass Terroranschläge nicht Merkel getroffen haben

Die AfD im Sächsischen Landtag hat am Mittwoch für einen Eklat gesorgt. In der aktuellen Debatte zum Thema innere Sicherheit bedauerte der Abgeordnete Sebastian Wippel, dass die jüngsten Terroranschläge nicht Kanzlerin Merkel getroffen hätten. Er sagte: "Unsere Bundeskanzlerin hat uns hier eine Suppe eingebrockt. […] Und nun haben wir die Quittung bekommen, jetzt auch in Deutschland erstmalig mit den Anschlägen in Bayern und Baden-Württemberg. Leider hat es nicht die Verantwortlichen dieser Politik getroffen." Fraktionsübergreifend verurteilten die Abgeordneten die verbale Entgleisung (MDR).

 

Frauke Petry I: falsche Tatsachenbehauptungen über Kinderehen und Krankenkassen

  • Die AfD-Fraktion hatte in Sachsen eine Landtagsdebatte über Kinderehen beantragt. Der Titel für den Antrag: "Wenn Kinder heiraten (müssen) – 56 Kinderehen in Sachsen". Fraktionschefin Frauke Petry musste dann einräumen, dass die Zahl im Antrag nicht korrekt sei. Tatsächlich sind im Freistaat nur 23 Minderjährige als verheiratet registriert. Für ihre Rede, in der sie auch immer wieder von einem angeblichen "Scharia-Import nach Deutschland" schwadronierte, erntete sie viel Kritik. So sagten zwar alle anderen Fraktionen, dass Kinderehen ein wichtiges Problem seien. Dabei bringe Petry aber einige Dinge bewusst oder unbewusst völlig durcheinander. Zum Beispiel sei in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen eine Eheschließung ab 16 Jahren legal möglich. Auch diese Fälle gehörten zu den 23 als verheiratet registrierten Minderjährigen (Sächsische Zeitung).
     
  • Auch im Hinblick auf angebliche Finanzierungsprobleme der Krankenkassen durch Flüchtlinge verbreitete Petry falsche Tatsachenbehauptungen. Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, erklärte daraufhin: "Ich sehe überhaupt kein Finanzierungsproblem im deutschen Gesundheitswesen durch Flüchtlinge, wie von Frau Petry behauptet. Falls es zu Mehrkosten im nächsten Jahr kommen sollte, kämen diese durch politische Reformen im Krankenhausbereich, bei Ärzten etc. zustande, nicht aber durch Flüchtlinge. Auch die angesprochene Unterfinanzierung der Krankenversicherungsbeiträge von ALG-II-Empfängern entsteht durch nicht ausreichende Beiträge der Arbeitsagentur für Arbeit und nicht durch Flüchtlinge."

Frauke Petry II: Begriff "völkisch" wieder positiv besetzen

Der Begriff "völkisch" sollte nicht mehr so negativ verstanden werden, meint Frauke Petry, die Vorsitzende der Partei AfD. Man müsse "daran arbeiten, dass dieser Begriff wieder positiv besetzt ist", sagte sie der Welt am Sonntag. Es sei eine "unzulässige Verkürzung", wenn gesagt werde, "'völkisch' ist rassistisch". Damit liegt Perty völlig falsch. Der Ausdruck taucht zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf, ab 1930 explodiert seine Verwendung geradezu. Bis 1945. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geht die Zahl der Nennungen wieder auf das ursprüngliche Niveau zurück. Er ist also offensichtlich typisch für eine ganz bestimmte Zeit. Bis heute ist "völkisch" laut dem Deutschen Wörterbuch"im Parteigezänk mit dem Klange eines Schlag- und Kampfwortes behaftet", das besonders oft dazu benutzt werde, um den "Rassengegensatz gegen die Juden" zu betonen. Wer das Wort benutzt, will nicht irgendeinen Begriff positiv besetzen. Er oder sie will damit rassistische Gedanken verbreiten und Andersdenkende bekämpfen (Netz gegen Nazis).

 

Neue Rechte

Die "Neue Rechte" zählt inhaltlich schon zum Rechtsextremismus statt zum Rechtspopulismus, wird aber wegen zahlreicher Überschneidungen nun hier mitbetrachtet.

Publikation: Antisemitismus bei "Compact"

Die Sozialwissenschaftler Kevin Culina und Jan Fedders untersuchen in ihrem Buch "Im Feindbild vereint" den Antisemitismus bei "Compact", einer zentralen Zeitschrift der Neuen Rechten. Die Zeitschrift habe sich innerhalb kurzer Zeit zu einem der relevantesten Querfrontorgane im deutschsprachigen Raum entwickelt, begründen die beiden ihr Interesse an "Compact". Culina und Fedders analysieren in ihrer Arbeit verschiedene Compact-Artikel und zeigen so, welchen zentralen Stellenwert antisemitische Codes in der Berichterstattung des Magazins spielen. "Während also der offen neonazistische Antisemitismus bisweilen aus politischen Diskursen ausgegrenzt wird, haben sich gewisse Artikulationsformen für antisemitische Ressentiments herausgebildet, welche zwar auf das starke Fortbestehen von antisemitischen Positionen in der Gesellschaft verweisen, aber nicht immer als solche (an)erkannt werden und daher bis weit in die selbst ernannte bürgerliche ‘Mitte’ hineinreichen", schreiben die Sozialwissenschaftler (Freitag).

 

Treffen in Berlin: Schulterschluss der Neuen Rechten

Das "Compact"-Magazin brachte bei einer Veranstaltung in Berlin die zentralen Vertreter der "Neuen Rechten auf ein Podium: Götz Kubitschek, Jürgen Elsässer und Mitglieder der "Identitären Bewegung" (IB). Elsässer vom "Compact"-Magazin lobte die "Identitären" als "neue Helden". Auch Kubitschek, Herausgeber der "Sezession" und Mitbegründer des neurechten Instituts für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda (Sachsen-Anhalt), betonte seine Bewunderung für die IB. Kubitschek, ein enger Vertrauter von AfD-Politiker Björn Höcke, bezeichnete die Abgrenzung der AfD zur IB als zu "vorauseilend". Zusammen mit einzelnen Mitgliedern der Partei hoffe er darauf, dass man diesen Schritt rückgängig machen könne. Im Publikum saßen mehrere Mitglieder der AfD-Jugend "Junge Alternative".  Bei dem "Stelldichein des rechten Widerstandsmilieus", wie Kubitschek das Treffen immer wieder nannte, war auch mindestens ein Vertreter der NPD anwesend: Uwe Meenen, der aktuell Mitarbeiter im Europabüro von Udo Voigt ist (Blick nach Rechts).

 

Anfrage der Linken-Fraktion: etwa 40 Mitglieder der "Identitären Bewegung" in Sachsen

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion im Landtag, gibt Sachsens Innenminister Markus Ulbig Auskunft über die "Identitären". In Sachsen seien derzeit etwa 40 Mitglieder in fünf Ortsgruppen aktiv. Seit Jahresbeginn habe man  fast  50 Einzelaktionen erfasst, davon seien 15 im Juni und Juli gewesen (MDR).

 

Aufkleber der "Identitären Bewegung" nach Angriff auf Moschee in Essen gefunden

Unbekannte haben einen gespaltenen Schweinekopf an einem Zaun der Moschee-Baustelle im Stadtteil Altendorf befestigt. An der Baustelle sollen Aufkleber der neu-rechten „Identitären Bewegung“ gefunden worden seien – mit der Aufschrift „Genug jetzt - Re-Migration statt Asylwahn“. Der Staatsschutz ermittelt. Noch für den gleichen Abend rief das Bündnis „Essen stellt sich quer“ spontan zu einer zweistündigen Mahnwache vor Ort auf, zu der etwa 50 Teilnehmer_innen kamen (WAZ).

 

"Identitäre Bewegung" stört "Radioeins"-Livesendung mit Jakob Augstein

Bei einer Live-Übertragung von "Radioeins" mit dem "Freitag"-Herausgeber Jakob Augstein und der Theologin Margot Käßmann störten Mitglieder der "Identitären Bewegung" die Sendung. Sie skandierten rechte Parolen, dann wurden sie aus dem Saal gebracht. In dem Gespräch zwischen Augstein und Käßmann im Berliner Maxim-Gorki-Theater ging es unter anderem um das Thema Vollverschleierung (rbb).

 

"Identitäre" errichten Gipfelkreuz

Nachdem ein Unbekannter das Gipfelkreuz auf dem Schafreuter mit einer Axt so massiv beschädigt hatte, dass es umgelegt werden musste, baute die "Identitäre Bewegung" (IB) ein Ersatzkreuz auf dem 2102 Meter hohen Berg auf. Zunächst war nicht klar, wer für das neue Kreuz verantwortlich ist. Die Süddeutsche Zeitung hatte als erste den Verdacht, dass die IB dahinter steckt. Ein Zeuge, der seinen Namen aus Furcht vor der rechten Szene nicht öffentlich machte, hatte die Gruppe auf dem Schafreuter-Gipfel beobachtet. Wenig später bekannte sich die "Identitäre Bewegung" dann auf ihrer Facebook-Seite zu der Aktion.

 

Schmierereien der "Identitären Bewegung"

Mitglieder der "Identitären Bewegung" haben zwei Schulen in Eschwege und den Sprudelhof in Bad Nauheim mit Schriftzügen und rechten Parolen beschmiert.

  • Eschwege: Unbekannte haben am Eingang der Beruflichen Schule sowie an der Berufsschule den Schriftzug "Identitäre Bewegung.de" gesprüht. Der entstandene Schaden wird auf 750 Euro geschätzt (Hessische/Niedersächsische Allgemeine)
     
  • Bad Nauheim: Auf den Asphalt im Sprudelhof wurden Kreideumrisse von Personen gezeichnet, außerdem die Parolen "Integration ist eine Lüge – Remigration!" und "Wehr dich, es ist dein Land". Auf ihrer Facebook-Seite bekennt sich die "Identitäre Bewegung" zu den Schmierereien (Wetterauer Zeitung).

 

Hamburg: "Identitäre" verteilen Flugblätter

Die "Identitären" waren in Hamburg lange Zeit praktisch nicht existent, doch mit mehreren Aktionen haben sie ihre Präsenz jüngst deutlich erhöht. Jetzt haben die Hamburger "Identitären", die seit Anfang August eine eigene Facebook-Seite betreiben, offenbar eine Propaganda-Offensive gestartet: In Briefkästen und an parkenden Autos wurden Flugblätter der IB verteilt (Hamburger Abendblatt).

 

Mehr Menschenfeindlichkeit aktuell, September 2016:

| Menschenfeindlichkeit September 2016: Rassismus und Feindlichkeit gegen Flüchtlinge
| Menschenfeindlichkeit September 2016: Antisemitismus
| Menschenfeindlichkeit September 2016: Homofeindlichkeit und Sexismus
| Menschenfeindlichkeit September 2016: Islamfeindlichkeit
| Menschenfeindlichkeit September 2016: Rechtspopulismus - AfD, Pegida und Neue Rechte
| Menschenfeindlichkeit September 2016: Internet

 

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"Klang der Reconquista"– "Komplott" rappt für die "Identitäre Bewegung"

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"Komplott" rappt für die "Identitäre Bewegung". Seine Musik verbreitet er über Youtube und Facebook.
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Youtube
www.youtube.com

"Es ist an der Zeit zum Verteidigen des Eigenen - macht euch bereit", rappt "Komplott", der erste Rapper der "Identitären Bewegung". Mit seiner Musik will er eine "neue Protestbewegung" aufbauen. Er verfolgt eine politische Agenda, verbreitet mit seinen Texten Rassismus, Sexismus und die Ideologie der "Neuen Rechten". Kaum eine Musikrichtung lässt sich so gut für politische Propaganda nutzen wie Rap. Das Genre ist bei den "Identitären" dennoch umstritten: Ist die Musik,  die ihren Ursprung in afroamerikanischen Communities in New York und im Anprangern von Rassismus hat, nicht viel zu "undeutsch" für die eigenen Ziele? Auf offen rechtsextreme Parolen verzichtet der Rapper, der bei der "identitären" Gruppe "Kontrakultur Halle" aktiv ist. Seine Musik wird dadurch auch anschlussfähig für Menschen, die bisher keine Tendenzen zu rechtsextremen Positionen haben.

 

Von Marie Montag

 

Der Rapper mit dem bezeichnenden Künstlernamen "Komplott" ist der Star der "Neuen Rechten". Die "Identitäre Bewegung" nennt ihn den "Klang der Reconquista". Er rappt mit viel Pathos über alles, was ihn als "Identitären" aus der Gruppe "Kontrakultur Halle" so umtreibt: die Geschichte seiner Ahnen, das Aussehen von Claudia Roth, angebliche "Überfremdung" und vermeintliche "No-Go-Areas für Deutsche", Ehre, Stolz und Identität. Auch das Lieblingsthema der "Identitären" kommt natürlich nicht zu kurz: der vermeintliche "große Austausch" der Deutschen durch eine andere Kultur.
 

Eingängige Beats, Massentauglichkeit und Verzicht auf rechtsextreme Parolen
 

Rechter Rap, zum Beispiel der von "n'Socialist Soundsystem", ist meistens schlecht gemacht, ohne eingängigen Flow und mit einfallslosen Reimen. Reichweite und Aufmerksamkeit bekommt solche Musik außerhalb der eigenen Szene kaum. Das ist bei "Komplott" anders. Bis jetzt hat er zwei Titel veröffentlich: "Europa" und "Macht Kaputt". Die Beats klingen professionell, sein Rap wenigstens mittelmäßig. Kurz: im deutschsprachigen Raum waren schon schlechtere Rapper_innen erfolgreich. Seine Musik geht ins Ohr, ist massentauglich. Auf Youtube hat das von der "Identitären Bewegung" geteilte Video zum Lied "Europa" bereits über 78.000 Views.

Anders als NS-Rapper wie "MaKss Damage" verzichtet "Komplott" auf rechtsextreme Parolen, stattdessen rappt er in seinem Track "Europa"über "götterhafte Schöpferkraft", Heldenlegenden und klassizistische Architektur. Rassistische Aussagen werden (meistens) unauffälliger verpackt: "Gibt's mittlerweile Kleinstaaten, wo sich keiner mehr rein wagt, die Polizei keinen Einsatz wagt. Total vereinnahmt von Kriminellen, die so aussehen wie Robinsons Freitag." NS-Rapper wie "MaKss Damage" formulieren solche Inhalte eindeutiger: "Ihre dreckigen, kriminellen Gangs. Früher hätte man so etwas [Geräusch von einem Pistolenschuss]. Jetzt toben sie sich bei uns aus, kriegen den Zaster rein geschoben […], stechen junge Deutsche ab während die Bullen daneben stehen und aus purer Angst so tun, als hätten sie es nicht gesehen." Im Vergleich zu "Makss Damage" klingt "Komplott" freundlicher, weniger aggressiv – die Aussage bleibt aber doch die gleiche.

Neben rassistischen Vorurteilen bedient "Komplott" auch alle anderen Themen der "Neuen Rechten". Er rappt über "Meinungskorridore", gegen Antifaschismus, Antisexismus und "die da oben". Den vermeintlichen "Genderwahnsinn" kommentiert er mit: "auf Mann und Frau sind Mutanten die Antwort". Die verhasste Grünen-Politikerin Claudia Roth beleidigt er flach: "Warum hat Claudia Roth so 'ne komische Warze in der wohlstandsverfetteten Mondgesichtvisage?"Über deutsche Universitäten sagt er, dort gäbe es "nur chromosomgestörte Affen, die den ganzen Tag nur über doofe Homothemen quatschen". Und Feministinnen würden aussehen wie "Jabba the Hutt".
 

Ist Rap zu wenig "deutsch" für die "Identitären"?
 

Mit den Inhalten seiner Texte sind wohl alle "Identitären" einverstanden, bei der Musikform gibt es dagegen Uneinigkeit. In den sozialen Netzwerken wird diskutiert, ob Rap "deutsch" genug für die eigenen Anliegen sei. "Ist Rap die richtige Kunstform diese Nachricht zu transportieren? Ich hab immer gedacht, dass sei Migrantenmusik", fragt ein Kommentator auf der Facebook-Seite der "Identitären Bewegung". Auch die Jugendorganisation der NPD beteiligt sich unter einem anderen Video an der Diskussion: "Mit welcher völkischen Identität verbindet man HipHop und Rap?" Die "Identitäre Bewegung" selbst schreibt: "Viele Jugendliche in unserem Alter sind von der Musik deutscher, wie auch internationaler Rapper inspiriert worden. Und so zählt auch dieses Musikgenre mittlerweile fest zum "Zeitgeist" und zur Lebenswelt vieler junger Menschen. Warum sollte man also diese Art von Musik nicht einmal auf patriotische Art und Weise interpretieren?"

"Komplott" gerät bei der Frage nach der Herkunft des Rap-Genres ins Schleudern. Im Interview mit dem Onlinemagazin "Jäger und Sammler" kann er sich eine Antwort nur zurechtstammeln: "Rap ist nicht besonders deutsch – wenn man so will. Auf der anderen Seite könnte man jetzt sagen, dass es Dichtkunst schon seit jeher in Deutschland gab. Aber ich verstehe schon die Frage. In dem Fall hat's dann halt trotzdem funktioniert."
 

"Komplott"über "deutsche Phänotypen", "No-Go-Areas" und Goebbels "Sportpalastrede"
 

Aber was ist denn überhaupt "deutsch" für "Komplott"? So richtig erklären kann er das auch nicht. Irgendwas mit Herkunft und Phänotypen. Klarer ist für ihn hingegen, wer alles nicht "deutsch" ist. Seine Interviewerin, die Journalistin und Youtuberin Naomi Nemi El-Hassan, ist es zum Beispiel trotz deutscher Staatsbürgerschaft nicht: "Das hat ja nichts damit zu tun, dass ich dir jetzt irgendwie den Wert absprechen möchte, Deutsch zu sein", sagt er ihr im Interview. Zugehörigkeit zu einer Ethnie sei eben eine ethnologische Tatsache. Genau so wenig könne er sich einfach dazu entscheiden, "ne japanische Frau zu sein oder sowas".

Von denen, die seiner Ansicht nach nicht "deutsch" sind, gibt es in Deutschland auf jeden Fall zu viele, findet "Komplott". Im Interview schwadroniert er  von "No-Go-Areas für Deutsche" und von einem "großen Verlust des öffentlichen Raumes" an "Fremde": "Öffentliche Plätze sind belagert von fremdländischen Menschen, von denen niemand weiß, wo sie herkommen. Die Frage ist, was machen diese Menschen hier." Einige Sätze später fügt er hinzu: "Das kann man jetzt nicht jedem Menschen unterstellen, aber es findet derzeit sehr viel Kriminalität statt." Als rassistisch oder gar rechtsextrem sieht sich "Komplott", dessen Aussagen man auch mit "Alle Einwanderer sind kriminell" und "Deutschland den Deutschen" zusammenfassen kann, trotzdem nicht. Er sei "patriotisch". Eine klare Abgrenzung zum Nationalsozialismus scheint ihm aber doch schwer zu fallen. Als die Interviewerin ihn auf Parallelen zwischen seinem Liedtext und der "Sportpalastrede" von Goebbels hinweist, antwortet "Komplott": "Naja, keine Ahnung was Goebbels da gesagt hat. Goebbels hat viel gesagt. Aber das heißt ja nicht, dass das mit meinem Text was zu tun hat. Ich meine, Goebbels hat auch Brot gegessen wahrscheinlich."

"Komplott" möchte mit seiner Musik "zum Nachdenken anregen" und "eine neue Protestkultur entwickeln". Man solle sich nicht mehr verstecken. Dass "Komplott",  der Identitäre Rapper, der sich nicht mehr verstecken will, seine Identität geheim hält, passt nur zu gut zu all den anderen Widersprüchen, in die er sich verstrickt.
 

Noch mehr "Ich bin keine Rassist, aber"-Rap: "Dissziplin" und "Der Deutsche Patriot"
 

"Komplott" ist der erste Rapper innerhalb der "Identitären Bewegung". Die haben das Genre aber auch schon früher für sich entdeckt. Im Februar 2015 bewarben sie auf Facebook den Cottbusser Rapper Ben Arnold. Er macht Musik unter dem Namen "Dissziplin". Arnold bestreitet Nazivorwürfe ebenfalls vehement. Fragwürdig sind seine Texte wie " Schwarz-Rot-Gold, das ist mein Blut, mein Stolz, mein Volk" dennoch.

Ein weiterer Rapper, der "identitäre" und "neurechte" Themen in seinen Texten verarbeitet, ist "Der Deutsche Patriot" Chris Ares. Die "Identitäre Bewegung" bewirbt ihn auf ihrer Facebook-Seite: Er habe die Rap-Szene von einem "schmuddeligen migrantisch geprägten Ghettorap" zu einem Milieu verändert, "welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wichtigen Fragen um unsere ethnokulturelle Identität in den Fokus zu rücken." Im Gegenzug teilt Ares auf Facebook die Aktionen der "Identitären Bewegung", in dem Musikvideo zu seinem Track "Deutscher Patriot" taucht ihr Logo an mehreren Stellen auf. Wie "Komplott" und "Dissziplin" betont Ares immer wieder, er sei "patriotisch" und weder Rassist noch rechtsextrem. Seine Texte sprechen eine andere Sprache, der "nicht vorhandene" Rassismus klingt zum Beispiel so: "Bereicherung wird propagiert von ganz oben. Ich kann das nicht nachvollziehen, was sie gewissenlos in unser Land holen". Wen genau er mit denen "ganz oben" meint, bleibt unklar. Die Hörer_innen scheint das auch nicht besonders zu interessieren, mit seinen Texten ist Chris Ares erfolgreich. Seine Musikvideos haben auf Youtube teilweise mehr als 100.000 Views.
 

Youtube-Kommentare zeigen: "Patriotischer" Rap gefällt auch Neonazis
 

Dass die Musik von "Komplott" trotz aller vorsichtigen Formulierungen und "Ich bin ja kein Nazi"-Aussagen sehr wohl auch bei Neonazis gut ankommt, zeigt ein Blick in die Youtube-Kommentarspalten. "NS Rap" und "Heil Euch!", heißt es unter einem Video von "Komplott". Seine beiden bisher veröffentlichten Lieder wurden (wie die von "Dissziplin" und Chris Ares) bereits zu einer Playlist mit dem Titel "NS Rap" hinzugefügt. Und unter einem Video zu dem Track "Europa" gibt es kaum einen Kommentar ohne "Heil"-Grüße, "White Power"-Parolen oder Zahlencodes wie die "88".


 

Propaganda-Strategie der "Identitären"
 

Mit der Rap-Szene versucht die "Neue Rechte" eine weitere Subkultur für sich und ihre Ziele zu nutzen. Beim "Identitären" Rap lassen die Texte Raum für Interpretationen, sind vieldeutig. Dennoch verfolgen sie eine ernsthafte politische Agenda. Sie sind nicht explizit rechtsextrem - und schrecken darum Hörer_innen, die keine rechtsextremen Tendenzen haben, nicht sofort ab. Diese Art von rechtem Rap birgt darum die Gefahr, mehr Menschen für Themen der "Neuen Rechten" zu begeistern, sie harmlos oder gar sympathisch erscheinen zu lassen.

"Rechter Rap ist gegen alles: oben, außen und er tritt nach unten", sagt Naomi Nemi El-Hassan nach dem Interview mit "Komplott". "Eine Musikform, die eigentlich den Weg zum sozialen Aufstieg bereiten soll, die konstruktiv ist, die ein Sprachrohr ist, wird in Form von rechtem Rap nur zerstörerisch und hilft niemandem weiter."

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"Gespaltene Mitte - Feindselige Zustände": Welche Normen gelten noch?

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Vorstellung der Studie "Gespaltene Mitte - feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016" in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin.
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ngn / SR

War die sprichwörtliche "Mitte der Gesellschaft" nach Analyse der Wissenschaftler_innen des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) vor zwei Jahren noch "fragil", sehen sie sie nur als "gespalten" an. Grundwerte erodieren, extreme Meinungen nehmen zu und Abwertungen von Gruppen stablisieren sich auf hohem Niveau - besonders die Feindlichkeit gegenüber Geflüchteten. Was denkt Deutschland in Zeiten von Pegida und AfD? Am Montag wurde die neue Studie "Gespaltene Mitte - Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016" in Berlin vorgestellt. Erforscht wurde erstmals auch die Verbreitung neurechter Einstellungen.
 

Von Simone Rafael
 

Alle zwei Jahre erhebt das Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) Bielefeld im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, wie weit rechtsexterme, rechtspopulistische und, seit 2016, auch neurechte Einstellungen in der Bevölkerung in Deutschland verbreitet sind. Dabei geht es um die Faktoren gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus und Sexismus ebenso wie um Elitenschelte und den Wunsch nach aggressivem Nationalismus oder  Abwertung von Langzeitarbeitslosen aus Nützlichkeitsfixierung. Bei einer Pressekonferenz in Berlin stellten die Wissenschaftler_innen um die Professor_innen Anderas Zick und Beate Küpper nun die Ergebnisse ihrer repräsentativen telefonischen Befragung von 2016 vor, die am heutigen 21.11.2016 auch in Buchform erscheinen oder als pdf zum Download bereit stehen.

Andreas Zick konstatierte diesmal, dass die Gesellschaft in Deutschland sich aktuell als gespalten erlebt und darstellt. Grundwerte werden in Frage gestellt und erodieren. Die Gesellschaft polarisiert sich, das heißt, extreme Meinungen nehmen zu, während es immer weniger Aussagen in einem abwägenden Mittelfeld gibt. Parallel entwickeln sich politische Extreme - auch, weil sich rechte Teile des Meinungsspektrum in radikaler Distanz zum Rest der Gesellschaft, als "System" verunglimpft, verstehen. Gleichzeitig stabilisieren sich die Zustimmungsraten zu Abwertungen wie Rassismus, Sexismus oder Etabliertenvorrechten - ein Zeichen dafür, dass hier auch Normen diskreditiert und zur Disposition gestellt werden. Dazu ist eine Fragmentierung sozialer Gruppen zu erleben - Menschen bewegen sich zunehmend in homogenen Umfeldern, die zu ihrer eigenen Meinung und Einstellung passen, es herrscht zwischen verschiedenen (politischen) Szenen immer weniger Durchlässigkeit.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Zustimmung zu

  • Rassismus -> 8,7 %
  • Fremdenfeindlichkeit ->19,0 %
  • Sexismus -> 8,7 %
  • "Klassischer" Antisemitismus -> 5,8 % (wobei Items zu "modernem" Antisemitismus Zustimmungsraten von bis zu 25 % hatten)
  • Muslimfeindlichkeit -> 18,3 %
  • Abwertung von Sinti und Roma -> 24,9 %
  • Abwertung asylsuchender Menschen -> 49,5 %
  • Abwertung homosexueller Menschen -> 9,7 %
  • Abwertung transsexueller Menschen -> 12,5 %
  • Abwertung wohnungsloser Menschen -> 18,0 %
  • Abwertung von Menschen mit Behinderungen -> 1,8 %
  • Abwertung langzeitarbeitsloser Menschen -> 49,3 %
  • Etabliertenvorrechte -> 38,8 %

In vielen Feldern zeigt sich die Gesellschaft zugleich unentschlossen und ambivalent. Während rund 56 % der Befragten der Aussage zustimmen, dass es gut ist, dass Deutschland viele Geflüchtete aufgenommen hat, fordern zugleich 38 % der Gefragten eine "Obergrenze", die wiederum 21 % vehement ablehnen. Deutlich stärker werden flüchtlingsfeindliche und auch rechtsextreme Einstellungen im Osten Deutschlands vertreten - hier hat sich die Zustimmung zur rechtsextremen Einstellungen gar verdoppelt (von 2,5 auf 5,9 % der Befragten). Deutlicher flüchtlingsfeindlich als der Durchschnitt sind auch AfD-Sympathisant_innen: Während bundesweit 40 % flüchtlingsfeindlichen Thesen zustimmen, sind es innerhalb der AfD 88 % - damit ist Flüchtlingsfeindlichkeit innerhalb des AfD-Kosmos praktisch keine Option mehr, sondern ein Norm.
 

Rechtsextreme Einstellungen

Bundesweit vertreten rund 3 % der Befragten rechtsextreme Einstellungen.

  • Befürwortung einer Diktatur -> 3,6 %
  • Chauvinismus-> 12,5 %
  • Rassismus -> 7,7 %
  • Antisemitismus -> 2,4 %
  • Sozialdarwinismus -> 2,0 %
  • Verharmlosung des Nationalsozialismus -> 2,0 %

Interessant ist, dies in den Zusammenhang mit einer Parteipräverenz für die AfD zu setzen. Dann sehen die Zahlen so aus:

  • Befürwortung einer Diktatur ->  20,8 %
  • Chauvinismus-> 47,0  %
  • Rassismus -> 35,9 %
  • Antisemitismus -> 10,4 %
  • Sozialdarwinismus -> 9,4 %
  • Verharmlosung des Nationalsozialismus -> 20,3 %

 

Rechtspopulistische Einstellungen

Erstaunlich ist: Die gesamtgesellschaftliche Zustimmung zu rechtspopulistischen Einstellungen ist seit 2014 praktisch gleich geblieben (20 %, 2014: 21 %).

  • Rechtsgerichtetem Autoritarisums -> 50,2 %
  • Demokratiemisstrauen -> 60 %
  • Kollektive Wut (gegen Geflüchtete und Migranten) -> 16 %
  • Gewaltbilligung -> gesamtgesellschaftlich 6 %, mit rechtspopulistischer Orientierung 11 %
  • selbst zu Gewalt bereit -> gesamtgesellschaftlich 19 %, mit rechtspopulistischer Orientierung 31 %

Dafür ist innerhalb der Gruppe der AfD-Sympathisant_innen eine deutliche inhaltliche Radikalisierung zu erkennen, die alle Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit umfasst, aber besonders sichtbar wird bei Rassismus (35,9 %) und Chauvinismus (47 %). Wer mit der AfD sympathisiert, stimmt auch vermehrt menschenfeindlichen und rechtsextremen Thesen zu.

Zustimmung zu:

  • Rassismus -> 18,8 %
  • Fremdenfeindlichkeit ->46,5 %
  • Sexismus -> 15,1 %
  • "Klassischer" Antisemitismus -> 15,2 % 
  • Muslimfeindlichkeit -> 43,5 %
  • Abwertung von Sinti und Roma -> 46,6 %
  • Abwertung asylsuchender Menschen -> 73,9 %
  • Abwertung homosexueller Menschen -> 8,8 %
  • Abwertung wohnungsloser Menschen -> 33,7 %
  • Abwertung von Menschen mit Behinderungen -> 3,6 %
  • Abwertung langzeitarbeitsloser Menschen -> 69,3 %
  • Etabliertenvorrechte -> 61,6 %

Interssant auch eine Erhebung zu Demonstrationen: Rund 7 % der Befragten gaben an, sich vorstellen zu können, bei einer Demonstration gegen Zuwanderung teilzunehmen. Unter diesen gab es hohe Zustimmungsraten zu rechtsextremen Einstellungen - und zwar nicht nur zu Rassismus und Islamfeindlichkeit, sondern auch zur Befürwortung einer Diktatur oder zur Verharmlosung des Nationalsozialismus. Besonders hoch ausgeprägt ist in dieser Gruppe auch das Misstrauen gegenüber der Demokratie als solches sowie eine hohe Gewaltbereitschaft - 43 % diese Befragten fanden Gewalt als Mittel zumindest manchmal gerechtfertigt, das birgt Konfliktpotenzial. Bei Demonstrationen gegen Rassismus konnten sich übrigens 45 % der Befragten vorstellen, mitzulaufen. Die Gewaltbereitschaft liegt in dieser Gruppe bei 15 %.

Erstmals in der Umfrage 2016 erhoben wurden Einstellungen aus den Argumentationen der "Neuen Rechten", des sich intellektuell gebenden Arms des Rechtsextremismus, der zunehmend Zuspruch von rechtsextremer bis rechtskonservativer Szene erhält. Insgesamt 28 % der Befragten stimmen neurechten Thesen zu, innerhalb der AfD-Sympathisant_innen waren es sogar 84 %.  Abgefragt wurden:

  • Anti-Establishment-Einstellungen ("Politik betrügt Volk") -> 28 %
  • Behauptung eines Meinungsdiktats ("Man darf nicht sagen, was man denkt") -> 28 %
  • Behauptung einer "Islamverschwörung" ("Islam""unterwandert" Deutschland) -> 40 %
  • Anti-EU-Diskurse -> 19 %
  • Aufruf zum Widerstand gegen aktuelle Politik -> 29 %

Auch der Zusammenhang zum Rechtsextremismus ist auf Einstellungsebene deutlich: Diejenigen, die neurechten Thesen zustimmen, stimmen auch überdurchschnittlich oft rechtsextremen Thesen zu. 

Immerhin, so stellte Andreas Zick abschließend fest, finden 84 % der Befragten auch, dass die Demokratie in Deutschland gut funktioniere - wenn auch 33 % die Sorge äußerten, "deutsche Kultur" gehe durch Zuwanderung verloren. Es gebe eine hohe Sensibilisierung gegenüber Ausgrenzung - so wollten die meisten Menschen nicht abwertend sein, selbst, wenn sie es sind.  Kontakt mit einer der Gruppen, etwas mit Geflüchteten, reduziert die Vorurteile und den Hass deutlich. Und wegen Angriffen auf Geflüchtete empfinden weite Teile der Bevölkerung Scham. Und der "kleinen, verhärteten protestbereiten Gruppe", die die Demokratie und ihre Werte ablehne, stehe eine breite demokratische Mitte gegenüber, die für Gleichwertigkeit und Demokratie eintritt und Gewalt ablehnt. 

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