In jüngster Zeit hat sich im hessischen Karben ein Zentrum der "Neuen Rechten" entwickelt. Schnell formierte sich breiter Widerstand gegen den Versuch der Rechtsextremen, sich in Karben einzunisten. So wurde schließlich das Bürgerbündnis "Für ein offenes Karben – NULL Toleranz bei Rechtsextremismus" gegründet. Doch wer sind eigentlich die Gruppierungen, die sich vor Ort in der "Neuen Rechten" sammeln? Ein Überblick.
Eine Zusammenstellung der Antifaschistische Bildungsinitiative e. V.
In Karben ist vor einigen Wochen ein Zentrum der "neuen Rechten" entstanden. Dies wurde zuerst durch Veröffentlichungen auf einschlägigen Blogs der "Identitären" bekannt. Hier wurde am 13.05.2013 geschrieben: "Am vergangenen Samstag kamen 'Identitäre' aus dem Rhein-Main-Gebiet in Karben bei Frankfurt zusammen, um in Zusammenarbeit mit dem 'Institut für Staatspolitik (IfS)' den Grundstein für eine 'Identitäre Projektwerkstatt' zu legen." Und weiter "Im Laden werden zum einen Material aus dem identitären Versand wie Aufkleber, Flyer, T-Shirts und Fahnen zu finden sein, zum anderen wird es auch Studien des IfS, die Zeitschrift 'Sezession' und 'Blaue Narzisse' sowie andere gesellschaftskritische Bücher geben." Neben der Auslage von Büchern, Aufklebern und Zeitungen wurde angekündigt, dass es auch ein Raum und Treffpunkt für extrem rechte Gruppen werden soll. "Für politische Vorträge, Zwischentage und Arbeitsphasen eignen sich die Räumlichkeiten ebenfalls bestens. Die Zwischentage der Identitären werden jeden Monat in diesen Räumlichkeiten stattfinden."In einem Schaufenster der Projektwerkstatt wurden Aufkleber der "Identitären" ausgelegt und präsentiert. Dies wurde von uns dokumentiert.
Danach formierte sich in Karben sehr schnell ein breiter politischer Widerstand von der Stadt Karben über verschiedene Vereine bis hin zur Schule. Bei einer Pressekonferenz wurde die Ablehnung dieses rechten Raumes deutlich gemacht und die Gründung eines Bürger_innenbündnisses vorgeschlagen. Hierüber berichteten auch verschiedene Zeitungen: Frankfurter Neue Presse und Wetterauer Zeitung
Auch die Hessenschau hat einen 5-minütigen Bericht zur Situation in Karben gedreht. Zusätzlich gibt es beim hessischen Rundfunk eine Sonderseite zum Thema. Hier sind auch mehrere Radiobeiträge zu finden, in denen auch wir zu Wort kommen.
Kurz vorgestellt: Wer sind die genannten Gruppen?
Die "identitäre Bewegung" besteht aus mehreren lose verbundenen Gruppierungen, die von der "Neuen Rechten" entwickelte Ideen des Ethnopluralismus aufgreifen. Ziel ist die Behauptung einer "Identität", die die Protagonisten dieser Gruppen von einer befürchteten Islamisierung bedroht sehen." In Hessen gibt es mehrere Neonazigruppen (z.B. im Lumdatal), die offen mit den Identitären zusammenarbeiten. Zitat der Neonazis: "Im Lumdatal sind auch die Identitären wirklich national." Wer sich über dass, was die letzten Monate im Lumdatal so "wirklich nationales" passiert ist, informieren möchte, kann dies hier tun: Rechte randalieren bei Bürgermeisterin (Gießener Allgemeine) und auf der Seite "Nazifreies Lumdatal".
Neonazis und Identitäre in Hessen im Lumdatal
Da erzählt wird, dass in der Projektwerkstatt ja nie Material der Identitären ausgelegt hätte- hier der Gegenbeweis
Das "Institut für Staatspolitik" gehört wie die Zeitschrift "Sezessionen" zum "Verein für Staatspolitik". Dieser "Verein für Staatspolitik" verlegt die Sezessionen und sammelt die Beiträge für das "Institut für Staatspolitik" ein, dass kein eingetragener Verein ist. Das Institut für Staatspolitik wäre gerne eine "Denkfabrik" der rechten Szene. Der Betreiber der Projektwerkstatt Andreas L. aus Karben ist Vorsitzender des "Verein für Staatspolitik".
"Das Institut für Staatspolitik ist, wie die Zeitschrift Sezession, ein Zweckbetrieb des Vereins für Staatspolitik e.V., eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins, den es seit mittlerweile 13 Jahren gibt und der seitdem kontinuierlich gearbeitet hat." Dies dürfte auch die vielen Artikel zu seiner Projektwerkstatt in dem von diesem Verein herausgegebenen Publikationen erklären.
Hier ein sehr aussagekräftiges Video von 3sat, in dem einige Vorstandskollegen aus dem "Verein für Staatspolitik" des Karbener Andreas L. zu sehen sind.
Nachdem weitere Zeitungsberichte erschienen sind, hat sich die "Projektwerkstatt" von Nazis distanziert und zum Grundgesetz bekannt. Dies ist für Gruppen der "Neuen Rechten" nichts Ungewöhnliches. Auch wurde sich seitens der Projektwerkstatt von Gewalt distanziert. Auf der inzwischen eingerichteten Facebookseite der Projektwerkstatt erschien folgendes Bild. Dieses wurde auch von der "Projektwerkstatt Karben" geliked.
Das "Institut für Staatspolitik" hat vor kurzem nach einem starken überparteilichen Protest in Bad Pyrmont (Niedersachsen) seine dortigen Versammlungsräume verloren. Selbst der stramm konservativen "Landsmannschaft Ostpreußen" war das dortige Treiben zu heftig. Mit der Begründung, dass Kontakte des "Instituts für Staatspolitik" zur NPD bestünden, distanzierte sich die Landsmannschaft von diesem und kündigte die Räumlichkeiten. Hier ein Auszug aus der Erklärung der "Landsmannschaft Ostpreußen": "Die Landsmannschaft wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das sogenannte 'Institut für Staatspolitik' nach eigenen Angaben führender Personen dieser Einrichtung mit höherrangigen NPD-Funktionären zusammenarbeitet und diese sogar ausbildet. Darüber hinaus ordnet sich das so genannte Institut für Staatspolitik selbst der sogenannten 'Neuen Rechten' zu. Der Begriff 'Neue Rechte' steht für eine politische Ausrichtung, die die Beseitigung oder zumindest die Beeinträchtigung des demokratischen Verfassungsstaates anstrebt und versucht, zunächst einen bestimmenden kulturellen Einfluss zu erlangen, um letztlich den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren und das politische System grundlegend zu verändern."(Quelle: PM der "Landsmannschaft Ostpreußen") Auch der Stadtrat von Bad Pyrmont hat schnell und klar reagiert und sich in einer Resolution klar gegen das "Institut für Staatspolitik" ausgesprochen. (Siehe hierzu den Bericht des NDR)
Die "Projektwerkstatt Karben" wirbt auf ihrer Facebook-Seite auch für "Literatur" des Verlages "Antaios". Der Verleger sitzt auch im Vorstand des "Vereines für Staatspolitik". Viele der Autoren sind der "neuen Rechten" zuzuordnen, andere kommen aus dem konservativen Spektrum.
Einer der Autoren hat das Pseudonym "Fjordman": Anders Breivik ist der Verurteilte norwegische Neonazi und Massenmörder, der für einen Bombenanschlag in Oslo und wegen Mordes an 77 Menschen verurteilt wurde. Er hat wegen seiner absolut menschenverachtenden Einstellung einen Bombenanschlag verübt und ist danach zu einer Insel gefahren, um dort 69 Mitglieder der Jugendorganisation der norwegischen Sozialdemokraten zu ermorden. Bei der Gerichtsverhandlung hat er sich in seinem "Manifest" auf "Fjordman"berufen. (Ein ausführlicher Bericht hierzu bei Spiegel Online) Ein Buch von "Fjordman" beim "Verlag Antaios" mit dem Titel "Europa verteidigen. Zehn Texte" wird in einer Rezension wie folgt beworben: Als Werk, "das durch die Radikalität seines Tons provoziert und zugleich diese Radikalität rechtfertigt".
Woher kommen die "Freunde" der Projektwerkstatt?
Nach den massiven Störungsversuchen der Gründungsveranstaltung des "Bündnis offenes Karben" fragen sich viel Menschen, woher die Rechten gekommen sind. Die Antwort ist einfach: Viele gehörten den Identitären und dem Umfeld des "Vereins für Staatspolitik" an. Andere, wie die zwei Vertreter der NPD (Daniel L. und Stefan J.) und der Vertreter der hessischen REP (Matthias O./FFM) haben den Saal nicht betreten und sind draußen geblieben.
Hier ein Vergleich zwischen dem" demokratischen Bündnis offenes Karben" und der "Projektwerkstatt Karben":
Die Unterstützer des "Bündnis offenes Karben" kommen überwiegend aus Karben, die der Projektwerkstatt aus FFM und den rechten Gruppen in FB.
Bündnis "Für ein offenes Karben – NULL Toleranz bei Rechtsextremismus" gegründet: 500 Menschen machen mit
Am 13. Juni 2013 haben etwa 500 Bürgerinnen und Bürger im Bürgerzentrum in Karben das Bündnis "Für ein offenes Karben – NULL Toleranz bei Rechtsextremismus" gegründet. Hierbei versuchten Personen aus der rechten Szene, mit ihrer Wortergreifungsstrategie (siehe auch hier) die Bündnisgründung zu stören und wurden des Saales verwiesen. Danach gründete sich das Bündnis. Viele Informationen zur Bündnisgründung sind auf der Seite der Initiative "Stolpersteine in Karben" zu finden. Hier wird auch auf die Aktionen rechter Gruppen in Karben eingegangen.
Aktiv werden beim Bündnis offenes Karben?
E-Mail an: offeneskarben@gmx.de oder per Post: Stadtverwaltung Karben. Rathausplatz 1, 61184 Karben. Die Menschen in Karben können in naher Zukunft mit der gesellschaftlich breiten Unterstützung vieler Gruppen, Verbände und Parteien aus Hessen rechnen, um gemeinsam den friedlichen Widerstand zu organisieren. Hier sind wir erst ganz am Anfang.
Presse hierzu:
Karbener setzen klares Zeichen gegen Rechts (Wetterauer Zeitung)
Karben sendet ein klares Signal (Frankfurter Neue Presse)
Die "Projektwerkstatt Karben" bekennt sich auch zur "Achtung der Menschenwürde und Respekt vor Andersdenkenden".
Nach der Gründung des Bürgerbündnisses lief sich die extrem rechte Bloggerszene warm. Mehrere Menschen aus dem Bündnis wurden diffamiert, persönlich angegriffen und beleidigt. Es wird mit einer unglaublichen Radikalität versucht, das Projekt zu verteidigen. Diese grenzt in einigen Fällen schon an Fanatismus. Was hier gelaufen ist, hat mit "Respekt von Menschenwürde und Andersdenkenden" nichts zu tun. Sicherlich gingen diese Angriffe nicht von der Projektwerkstatt aus. Es zeigt jedoch, wozu Menschen mit einer gewissen extrem rechten Einstellung in der Lage sind. Warum der Betreiber der Projektwerkstatt jedoch auf seinem öffentlichen Facebook-Account eine Seite liked, auf der sich seine politischen Gegner sich bloßgestellt und diffamiert fühlen (Hier wurden selbst von FB schon mehrere Beiträge gelöscht), dass muss er erklären können.
Der aktuelle europaskeptische Text der Projektwerkstatt Karben ist auch keine neue Erfindung der "Projektwerkstatt". Der Text wurde schon vor längerem auf der Homepage einer süddeutschen Gruppe veröffentlicht – nur ohne Überschrift der "Projektwerkstatt Karben". Es ist eine kurze Einleitung in eine Broschüre des "Instituts für Staatspolitik".
Eine mögliche weitere Baustelle in Karben: In Karben hat sich die letzten Tage auch ein Ableger eines militanten und rechtsextremen Kameradschaftsnetzwerkes zumindest virtuell gegründet. Der Blog ist aktuell nicht nur inhalts,- sondern auch ziemlich textleer. Wir werden dies weiterhin beobachten.
Selbstkritik: Das Beispiel aus Karben zeigt, dass wir alle mehr Zeit für Recherche und für den Erhalt demokratischer Standards aufbringen müssen. Dass seit Eintragung des e.V. 2001 bis heute der Verein nicht als Träger des Instituts für Staatspolitik und der Sezessionen thematisiert wurde, ist erschreckend und sollte auch bei uns sowie anderen Gruppen für massive Selbstkritik sorgen. Antifaschismus ist Aufgabe aller demokratischen Akteure.
Hintergrund:"Rechtsintellektuelle Publizisten rühren die Werbetrommel für eine zweite Auflage einer Verkaufs- und Informationsbörse am 5. Oktober 2013 in Berlin" (blick nach rechts)
Textübernahme mit freundlicher Genehmigung der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V.