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“Kontrakultur” Halle: Eine rechtsextreme Marketing-Agentur

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Auch die "Kontrakultur" ist besonders auf ihren Socialmedia-Kanälen aktiv
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Screenshot Facebook
Screenshot Instagram

Bei der Aufbauarbeit der deutschen “Identitären Bewegung” spielt der Ableger “Kontrakultur” aus Halle eine zentrale Rolle. Bei allen großen IB-Aktionen sind Mitglieder aus Halle an vorderster Front mit dabei. Warum hat die “Kontrakultur” solch einen wichtigen Stellenwert bei den Neuen Rechten?

 

Von Kira Ayyadi

Im Vergleich mit den Verbündeten aus Frankreich und Österreich erschien die “Identitäre Bewegung”  Deutschland (IB) lange Zeit marginal. Ihr alternatives Auftreten, geprägt von der Adaption linker Subkultur wie Flashmobs, Mobilisierungs-Videos, Aufkleber,  fällt jedoch zunehmend auf. Auch  das mediale Interesse an dieser neuen rechten Bewegung wächst stetig.

Besonders aktiv und einen wichtigen Stellenwert nimmt hier die Gruppe  “Kontrakultur” (KK) aus Halle (Saale) ein. Sie ist ein Ableger der “Identitären Bewegung” und tritt  seit 2015 öffentlich in Erscheinung. Bis dahin war “Kontrakultur”  lediglich ein Internet-Phänomen, wie so viele andere lokale IB-Gruppen auch.

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Genau wie die IB fällt auch “Kontrakultur” mit provokanten Aktionen auf. So versuchten Mitglieder beispielsweise in Halle, vor der Landtagswahl 2016 mit einer Mauer symbolisch eine Probewahl für Migrant_innen zu verhindern, oder sie verteilten nach den Vorkommnissen in der Kölner Silvesternacht Pfefferspray auf öffentlichen Plätzen.

“Kontrakultur” ist bundesweit gut vernetzt und spielt in der Aufbauarbeit der “Identitären Bewegung” in Deutschland eine zentrale Rolle. Bei medial groß aufgegriffenen Protestaktionen, wie am Brandenburger Tor, im Gorki Theater oder wie zuletzt am Bundesjustizministerium, waren immer auch Personen von KK ganz vorne mit dabei.

Auch KK-Mitglied Till-Lucas Wessels war bei der Aktion vor dem Justizministerium dabei (Quelle: Screenshot "Jüdisches Forum" Youtube)

Offizielle Angaben, wie viele Mitglieder die Gruppe “Kontrakultur” hat, gibt es nicht, schließlich möchte man nicht wie eine Splittergruppe wirken. Beobachter gehen von zehn bis maximal 20 Aktivist_innen in Halle aus. Im Oktober 2016 zeigen sich “die Gesichter der ersten Reihe” (Eigenangabe) in einem Fotoprojekt auf Facebook. Es sind 8 Menschen, 7 Männer und 1 Frau.

Der Neonazi-Rapper der “Kontrakultur” kommt nicht aus Halle   

Die “gute” Arbeit der “Kontrakultur” (KK) wird auch damit geadelt, dass Martin Sellner, der Star der deutschsprachigen “Identitären Bewegung” und Führungsperson in Österreich,  ein regelmäßiger Gast in Halle ist.

Auch der Soundtrack der deutschsprachigen IB kommt vordergründig aus der Saale-Stadt. Unter dem Label der KK veröffentlichte der “Identitäre Rapper” “Komplott” im Mai 2016 den Track “Europa”. Eine tiefe Verbindung gibt es aber wohl nicht zu Halle. Vielmehr scheint dies eine Maßnahme gewesen zu sein, um die Reichweite der KK zu stärken.

 

Mario Alexander Müller – Der Kopf der “Kontrakultur” in Halle

Doch warum heißt dieser Zusammenschluss in Halle nicht “Identitäre Bewegung”? Torsten Hahnel von “Miteinander e.V.” meint gegenüber Belltower.News, dies dürfte maßgeblich am Zeitraum der Gründung der KK liegen und eine strategische Entscheidung der  Führungspersonen  der “Kontrakultur”, z.B. Mario Alexander Müller gewesen sein.

Der in Bremen geborene Müller stammt aus dem niedersächsischen Kameradschaftsumfeld. Vor seinem Umzug nach Sachsen-Anhalt war Mario Müller in der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv.

Mario Alexander Müller ist der Kopf der "Kontrakultur" (Quelle: Screenshot Facebook)

“Kontrakultur” und “Identitäre Bewegung” als Sammelbecken für studierte Neonazis

Torsten Hahnel vermutet, dass Müller die offen gewaltbereiten Neonazi-Strukturen zu offen aufgetreten sind und er daher nach einer anderen Form gesucht habe, seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Als dann die ersten IB-Gruppen 2012 und 2013 in Deutschland aufkamen, war noch nicht abzusehen, wie sich diese Bewegung entwickeln würde. Daher habe sich Müller entschieden, einen IB-Ableger unter einem anderen Namen in Halle zu gründen.

In einem Interview mit “Spiegel Online” sagt der zweimal wegen Körperverletzung verurteilte Mario Alexander Müller, er sei früher “so etwas” wie ein Nazi gewesen,  tut dies aber als „Jugendsünde“ ab. Sein Handeln bei “Kontrakultur” lässt aber deutliche Zweifel am Umfang des angeblichen Gesinnungswandels zu. Torsten Hahnel spricht davon, dass etwa zwei Drittel der KK- und IB- Mitglieder aus organisierten Neonazi-Strukturen, hauptsächlich aus der NPD-Jugendorganisation JN stammt. “Die “Identitäre Bewegung” als auch die “Kontrakultur” ist ein Sammelbecken für Personen aus rechten und neonazistischen Strukturen, die sich strategisch von diesen Szenen abgrenzen wollen.”

Auch Jochen Hollmann, Chef des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt, stuft  KK und IB als rechtsextrem ein. Daher werden sie auch vom Verfassungsschutz beobachtet.

 

Burschenschaft „Halle-Leobener Germania“

Die meisten der aktiven Mitglieder sind zugezogene Student_innen und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Großteil der “Kontrakultur”-Aktivisten Mitglieder der Burschenschaft “Halle-Leobener Germania” sind, in dessen Verbindungshaus viele von ihnen leben.  

Laut “Sachsen-Anhalt Rechtsaussen” bemüht sich die Burschenschaft darum, der Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt einen intellektuellen Überbau zu verschaffen. Die “Germania” gilt als  Anlaufpunkt für die regionale und überregionale Neonazi-Szene und auch als gut vernetzt mit der Neuen Rechten.

 

Wichtiger Einflussherd: Das “Institut für Staatspolitik” in Schnellroda

Warum der IB-Ableger ausgerechnet in Halle so aktiv ist, liegt auch an der räumlichen Nähe zum “Institut für Staatspolitik” (IfS) in dem knapp 50 Kilometer entfernten Schnellroda. Das IfS ist eine Art Thinktank der Neuen Rechten und wird von Götz Kubitschek geleitet. Auch seine Frau Ellen Kositza ist hier sehr aktiv. Viele Themen der Neuen Rechten in Deutschland und Österreich werden im IfS diskutiert - auch solche, die später in Aussagen der AfD Eingang finden. “Kontrakultur” erhält aus Schnellroda auch finanzielle Unterstützung über die  neurechte NGO “Ein Prozent für unser Land”, deren Gründer ebenfalls Götz Kubitschek ist.

Daneben sind weitere bekannte Unterstützer von "Ein Prozent für unser Land" der Querfront-Publizist und Herausgeber des Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, der Strafrechtler und AfD-Sympathisant Prof. Karl Albrecht Schachtschneider und der Vorsitzende der Patriotischen Plattform (PP) in der AfD, Dr. Hans-Thomas Tillschneider. Leiter des Projekts ist Philip Stein, der sich auch bei der Marburger Burschenschaft „Germania“ engagiert. Maßgeblich unterstützt wird er von Martin Sellner.

 

Der Einfluss in die Politik

Unter dem Einfluss des “Instituts für Staatspolitik”, der “Kontrakultur” und der Burschenschaft “Germania” könnte sich Halle zu einem Zentrum der Neuen Rechten entwickeln. Allerdings gibt es vor Ort auch gut organisierte Strukturen die dagegen halten. So wurde z.B. das hallesche Bündnis „Halle gegen Rechts“ am 23.05.2017 in Berlin für seine Arbeit ausgezeichnet.

Besorgniserregend ist auch, dass die AfD bei der Landtagswahl 2016 mit 24,3 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft geworden ist. Mit diesem plötzlichen Erfolg ging auch ein Personalmangel einher, wovon dann wiederum die extrem rechten Strukturen profitieren, da viele Akteure aus rechten Burschenschaften und z.B. ehemalige JN-Aktivisten direkt oder indirekt im Umfeld der AfD auf Aufmerksamkeit und bezahlte Jobs  hoffen können, so Torsten Hahnel.

Der AfD-Bundesvorstand hat entschieden, nicht mit der IB zusammen zu arbeiten - doch  scheint dies nur ein Lippenbekenntnis zu sein. So hielt beispielsweise der AfD-Landtagsabgeordnete Hans Thomas Tillschneider im Sommer 2016 einen Vortrag beim Stammtisch der KK in Halle über “Parlament und Straße – gemeinsamer Widerstand?” Und auf einer AfD-Kundgebung am 09. November 2016 in Magdeburg stand “Kontrakultur”-Aktivistin und Freundin von Mario Müller, Melanie Schmitz im Duett mit einem weiteren Akteur der KK, Till-Lukas Wessels, auf der Bühne. Das sind nur zwei von zahllosen Beispielen für die offene Zusammenarbeit der AfD mit den "Identitären".

Melanie Schmitz im Duett mit  Till-Lukas Wessels, auf der AfD-Bühne (Quelle: Screenshot MDR Die AfD und ihre Verbindungen zur Neuen Rechten)

Eine extrem rechte Marketing-Agentur

Zum Schluss bleibt noch zu sagen, dass wir als breite Öffentlichkeit in einem Spannungsverhältnis zu den “Identitären” stehen. Schließlich ist Aufmerksamkeit die Währung, auf die die “Identitäre Bewegung” und auch “Kontrakultur” zielen. Im Wunsch, auf menschenfeindliche Phänomene zu reagieren, unterstützen Einzelne und Medien die “IB”, weil sie über sie schreiben. Denn letztendlich handelt es sich bei diesen selbsternannten “IBstern” um so etwas wie eine extrem rechte Marketing-Agentur. Wie lange deren Rezepte funktionieren, wird sich zeigen. In den letzten zwei Jahren haben sich die wenigen Aktivist_innen, die durch die Bundesrepublik touren, jedenfalls viel Aufmerksamkeit gesichert.

In einem Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom 01.02.2017 gab Mario Müller an, dass er darüber nachdenke, in die Politik zu wechseln, denn mit den Leuten von der AfD versteht er sich gut.

 

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