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Frankfurter Buchmesse 2018: Erneute Übernahme von rechtsaußen oder Gegenwind für Menschenfeindlichkeit?

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Stand der Amadeu Antonio Stiftung auf der Frankfurter Buchmesse 2018.
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AAS

Eine Zwischenbilanz aus Sicht der Zivilgesellschaft: Die Frankfurter Buchmesse 2017 stand im Zeichen einer „neurechten“ Raumergreifung. Zum ersten mal seit Jahren war der rechtsextreme Antaios-Verlag vertreten. Björn Höcke war dort zu Gast. Auch in diesem Jahr will er wiederkommen. Der Antaios-Stand diente als Anlaufpunkt für Vertreter*innen der gesamten sogenannten „neuen“ Rechten. Es kam zu Übergriffen und zu Bedrohungen gegenüber Besucher*innen und Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Institutionen wie der Bildungsstätte Anne Frank und der Amadeu Antonio Stiftung, zu der auch Belltower.News gehört. Aber auch in anderen Hallen war das Bedrohungsszenario spürbar. So wurde der mittlerweile verstorbene 74-jährige Trikont-Verleger Achim Bergmann von einem Besucher des Standes der „neurechten“ Wochenzeitung Junge Freiheit mit einem Faustschlag ins Gesicht niedergestreckt. 2018 sollte alles anders werden. Einige rechte Verlage wurden gebündelt in einer Halle platziert. Aber auch Antaios landete einen PR-Coup und muss sich nicht mit der „rechten Ecke“ zufrieden geben, sondern hat es geschafft mitten im Geschehen der Messe zu sein.

Zeit für eine Zwischenbilanz der Buchmesse 2018. Wir haben mit Eva Berendsen und Timo Reinfrank gesprochen. Berendsen leitet den Bereich Kommunikation der Bildungsstätte Anne Frank. Timo Reinfrank ist der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Das Interview führte Stefan Lauer.

 

Belltower.News: Welche Lehren kann man aus den Auftritten rechter Verlage im vergangenen Jahr ziehen?

Timo Reinfrank: Die Buchmesse 2017 hat gezeigt, dass es der „neuen“ Rechten um Raumergreifung geht und darum, rechtsextreme Ideologie vor einem breitestmöglichen Publikum zu präsentieren. Dazu gehörte das Stören von Veranstaltungen oder Interviews, aber auch die permanent wiederholte Forderung danach,in den Mainstream zu tragen. Die Buchmesse wird zwar weiterhin keine Verlage ausschließen, aber will ihnen in diesem Jahr auch keine zusätzliche Bühne bieten. Das geht nur bedingt auf. Thilo Sarrazin konnte bereits am Mittwoch sein Buch auf einer Bühne präsentieren. Am heutigen Freitag wird das auch Björn Höcke tun.

 

Wie haben Sie die Situation auf der Buchmesse im letzten Jahr empfunden?

Eva Berendsen: Die Buchmesse im vergangenen Jahr hat wie unter einem Brennglas gezeigt, wie erfolgreich die Konzepte und Strategien der „neuen“ Rechten sein können, wenn es um Kommunikation, Mobilisierung und Raumnahme geht. Das hat die Bildungsstätte Anne Frank – wie die Amadeu Antonio Stiftung ja auch – ziemlich unmittelbar in der direkten Nachbarschaft des Antaios-Verlags erfahren müssen. Für die Aktion „mut mutiger mund auf“ für Vielfalt auf der Messe haben wir sehr viel Zuspruch erhalten – aber eben auch ziemlich viel Hass erfahren. Beleidigungen und Beschimpfungen gehörten für uns zum Messealltag. Immer wieder kamen Personen aus dem Antaios-Umfeld an unseren Stand, um zu provozieren und uns mit der bewährten Methode des Themenhoppings in Scheindebatten zu verstricken. Dass sich darunter auch Akteur*innen der Identitären und organisierte Neonazis befanden, hat das Sicherheitsgefühl unseres Teams und vieler Besucher*innen stark beeinträchtigt.
 

Der rechtsextreme Antaios-Verlag ist jetzt doch auf der Messe anwesend und zwar nicht in der sogenannten „rechten Ecke“, sondern mitten im Geschehen. Was ist passiert?

Timo Reinfrank: Antaios-Verleger Kubitschek hat kurzfristig über die FAZ und eine Pressemitteilung verlautbaren lassen, dass er seinen Verlag verkauft habe und in die Politikberatung wechselt. Ob das tatsächlich der Wahrheit entspricht, wissen wir nicht. Als Imprint soll Antaios vom Loci-Verlag geführt werden. Die Buchmesse hat — unwissend, wer oder was dahinter steckt — Loci einen Standplatz zugewiesen. Das Verlagsprogramm von Loci erscheint zumindest fragwürdig und wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, ob dieser Verlag überhaupt existiert oder ausschließlich ein Hoax ist, um Antaios einen prominenten Platz auf der Messe zu verschaffen und mit dieser Aktion Öffentlichkeit zu generieren, nach der die sogenannte „neue“ Recht giert.  

 

Was hat sich die Bildungsstätte Anne Frank für die Frankfurter Buchmesse 2018 vorgenommen?

Eva Berendsen: Nachdem wir uns im vergangenen Jahr notgedrungen vor allem mit rechtsradikalen und rechtsextremistischen Akteur*innen auseinandersetzen mussten, wollen wir in diesem Jahr vorrangig mit denjenigen reden, die aus dem völkisch-rassistischen Weltbild ausgeschlossen und von Rechten bedroht sind: Im Rahmen von Table-Talks diskutierten wir mit jüdischen, Schwarzen, muslimisch markierten und queeren Blogger*innen, Autor*innen und Social Media-Aktivist*innen über Hashtag-Aktivismus, Alltagsdiskriminierung, rechtsmotivierte Angriffe, über Solidaritäten und Bündnisse. Unter den Gästen sind zum Beispiel der Autor Max Czollek, die Bloggerin Juna Grossmann und die Twitter*in Ash Kay. Das wird ein Fest!

 

Wie ist es zu bewerten, dass in diesem Jahr mit Manuscriptum und der Jungen Freiheit zumindest zwei weitere problematische Verlage vor Ort sind?

Timo Reinfrank: Die Buchmesse ist eine demokratische Institution, die sich an die Regeln des Rechtsstaates hält. Zur Demokratie gehört aber zentral auch der Minderheitenschutz. Die „neue“ und die alte Rechte greift Minderheiten permanent an. Sie ist antisemitisch, rassistisch, antifeministisch und homo- und transfeindlich. In der Demokratie müssen wir solche Meinungen zwar aushalten, solange sie sich im rechtlichen Rahmen bewegen, aber wir müssen auch etwas dagegensetzen. Dazu gehört Haltung zu zeigen und Menschenfeindlichkeit nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Allerdings sind es auf dieser Messe auch nicht nur diese beiden Verlage, die solche Meinungen vertreten. Unter anderm gibt es zum Beispiel auch noch den Ares-Verlag oder den Ahriman-Verlag. Dazu kommen auch noch mehrere Verlage und Gruppierungen aus dem christlich, bzw. muslimischen fundamentalistischen Spektrum.
 

Geht das Konzept der Messe auf, die beiden Verlage in einer eigenen Ecke unterzubringen, um sie dadurch besser zu kontrollieren?

Timo Reinfrank: Das Konzept hat es so ähnlich auch schon bei der Leipziger Buchmesse gegeben. Die Buchmessen in Deutschland müssen ein sicherer Ort für alle sein, für Juden und Jüdinnen, People of Colour, Geflüchtete, Trans*, Homosexuelle, Frauen. Im letzten Jahr gab es immer wieder Berichte von Menschen, die sich direkt bedroht gefühlt haben und die bedroht wurden.  Zudem ist die neue Rechte nicht nur minderheitenfeindlich, sondern stellt zentrale Grundsätze des Rechtsstaats, wie die Rechtsstaatlichkeit, die Religions- und Pressefreiheit infrage. Wenn die Messe Verlage, die menschenfeindliches Gedankengut verbreiten, an einer bestimmten Stelle bündelt, dann hat das zumindest den Vorteil, dass Betroffenen nicht permanent und unvorbereitet mit Hass und Verachtung konfrontiert werden. Aber Ausgrenzung kann nicht mehr die Lösung sein, sondern Auseinandersetzung und „Grenzen setzen“ ist das Gebot der Stunde. Mit einem Ausschluss und der absehbaren Opferinszenierung würden wir es ihnen zu einfach machen.  Die Stiftung reagiert deshalb auf die Herausforderung mit der Kampagne „Ohne-wenn-und-aber“, die deutlich macht, dass Antisemitismus und Rassismus für uns nicht diskutabel und durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt sind. 

 

Björn Höcke wird auch in diesem Jahr die Buchmesse besuchen. Was verspricht er sich Ihrer Meinung nach davon?

Eva Berendsen: Diesen Sonntag sind Landtagswahlen in Bayern, zwei Wochen später in Hessen: Da wird sein Auftritt wahrscheinlich auch etwas mit seinen Pflichten als Berufspolitiker im Wahlkampf zu tun haben. Darüber hinaus würde ich den Auftritt zum einen als einen weiteren Versuch bewerten, seine völkisch-rassistischen Ideen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse, die ja vom Ruf und Bekanntheitsgrad als Intellektuellentreffen schlechthin gilt, salon- und satisfaktionsfähig zu machen. Zum anderen hofft er vielleicht auf eine ähnliche Machtdemonstration und einen Schulterschluss zwischen AfD-Sympathisant*innen und gewaltbereiten Neonazis wie im vergangenen Jahr, als er sich wie ein Popstar auf der Bühne in Halle 4.1 von einer Schar Fans feiern lassen konnte, darunter ganz bürgerliche Leute, viele ältere Personen aber eben auch Identitäre und Rechtsextremist*innen. Vielleicht hofft er auf zivilgesellschaftlichen Protest, um sich als Opfer einer Meinungsdiktatur zu inszenieren. Und vielleicht verfängt das Spiel, wenn ein Großteil der Medien über das Stöckchen springt.

 

Seit der letzten Buchmesse wird von vielen Seiten verlangt mit Rechten – in diesem Fall sind damit vor allem Rechtsextreme gemeint – zu reden. Wie bewerten Sie das und was hat sich dadurch am öffentlichen, politischen Diskurs geändert?

Eva Berendsen: Mit ideologisch gefestigten Rechtspopulist*innen zu reden, also im Sinne eines Austauschs der Argumente auf Augenhöhe, ist ein ziemlich schwieriges Unterfangen, da das Gegenüber erfahrungsgemäß überhaupt nicht an dieser Form der Auseinandersetzung interessiert ist. Wer pauschal an dem Gebot festhält, den*die hätte ich gerne im vergangene Jahr zwei Stunden an unseren Stand gestellt: Hier ging es nicht um Debatte, Auseinandersetzung oder Streit, sondern ums gezielte Stören, ums Einschüchtern und das strategische Binden von Ressourcen. Im öffentlichen Diskurs erleben wir, wie sich in wenigen Jahren die Grenzen des Sagbaren dramatisch nach Rechts verschoben haben, gerade weil Rechtspopulist*innen die ganze Zeit reden und gehört werden. Dass Hassrede zu Hassgewalt führt, haben wir zuletzt bei den Angriffen auf People of Color und Migrant*innen in Chemnitz erlebt. Das heißt nicht, das Gespräch pauschal zu verweigern. Natürlich müssen Journalist*innen mit AfD-Politiker*innen reden, sofern sie in den Parlamenten vertreten sind. Und wir setzen uns mitunter auch mit ihnen auf ein Podium. Aber man muss prüfen, wem wann welcher Raum gegeben wird und welche Selbstinszenierung man unter Umständen bedient: Braucht es wirklich die bebilderte Homestory über einen Kleinstverlag aus Schnellroda? Muss der Reporter schreiben, welche Titel im Bücherregal vom Chef der österreicherischen Identitären stehen? Darüber hinaus vergisst die vom „Vulgärliberalismus“ der Rechtspopulist*innen, wie die Journalistin Melanie Amann es nennt, zutiefst verunsicherte Gesellschaft derzeit zu oft, dass Artikel 5 des Grundgesetzes nicht bedeutet, sich jede Meinung auch widerspruchslos anhören zu müssen.

Befürchten Sie wieder Provokationen und Tumulte?

Timo Reinfrank: Im letzten Jahr gingen diese Provokationen und Tumulte direkt vom Stand des Antaios-Verlages aus. Der Verlag ist zentral für die sogenannte „neue“ Rechte, die aus sehr unterschiedlichen, teils auch gewaltbereiten Playern besteht. Antaios ist zwar in diesem Jahr doch wieder auf der Messe vertreten, feiert sich aber zur Zeit hauptsächlich selbst, ob des leider gelungenen PR-Coups. Aber auch die anderen Vetreter*innen der extremen Rechten und der sogenannten „neuen“ Rechten sind nicht zu unterschätzen. Persönlich glaube ich, dass es dieses Jahr gar keinen großen Skandal mehr auf der Buchmesse geben wird. Die Frankfurter Buchmesse hat letztes Jahr ihren strategischen Zweck erfüllt. Jetzt geht es darum, dass die AfD auch in den Hessischen Landtag einzieht. Da wäre ein Störfeuer aus Schnellroda nicht hilfreich.

 

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