In Schnellroda, auf dem Gut des rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek, trifft sich der Teil der sich selbst "Neue Rechte" nennenden Rechtsextremen, die sich für intellektuelle Vordenker handeln. Manchmal sind allerdings die Gäste entlarvend: Wenn dort etwa der schwule rassistische Gewaltbefürworter Jack Donovan referiert, die "weiße Mainstream-Kultur" sei "entmannt und unterwürfig", wird der "Gewalttrieb" idealisiert - und die Abgrenzung zum "klassischen" Rechtsextremismus wird brüchig.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem "Jahrbuch rechte Gewalt 2018" von Andrea Röpke.
Schnellroda, Februar 2017. Sensen und andere ländliche Gerätschaften zieren die Wand des Veranstaltungssaals im Gasthof. Der Name des 200-Seelen-Dorfes ist zum Markenzeichen einer Strömung geworden, die den Ort als nationale Scholle, »Ideologie-Tankstelle« oder »Kraftzentrum« vereinnahmt. Einige der auf dem Videokanal Youtube hochgeladenen Clips des »Kanals Schnellroda« zeigen das Geschehen hinter verschlossenen Türen recht deutlich. Für die »Winterakademie 2017« ist ein Holzpult aufgestellt worden. Die Logos des Verlags Antaios, der Zeitschrift Sezession und des »Instituts für Staatspolitik« sind zu sehen. Als Redner wurde das Who’s who der rechtsintellektuellen Szene geladen: Dr. Marc Jongen von der AfD, Dr. Erik Lehnert, Hausphilosoph des Instituts, der Wortführer der extrem rechten »Identitären Bewegung« Martin Sellner aus Wien sowie der Schriftsteller und PR-Berater der AfD, Thor Kunkel. Bei Alternativ-Cola und intensiven Gesprächen über das Lieblingsthema der »Neuen Rechten«, die philosophische Staatslehre, sprich Metapolitik, bleiben die Männer fast ausschließlich unter sich. Weibliche Teilnehmerinnen bilden die Ausnahme.
Die weiße Mainstream-Kultur sei entmannt und unterwürfig, lautet eine der rassistisch-provokanten Thesen von Jack Donovan, vorgetragen in Schnellroda. Der US-Amerikaner, Schriftsteller und Bodybuilder, ist Stargast der »Winterakademie 2017«. »Violence is Golden«, diese Parole prangt auf dem braunen Shirt des Redners. Jack Donovans Rhetorik strotzt vor Kraftausdrücken. Der Amerikaner, Jahrgang 1974, tritt morgens gegen neun Uhr ans Rednerpult. Donovan stellt nicht nur äußerlich einen totalen Gegenentwurf zum vorherrschenden Scheitel- und Schmissträgerlook in der Gaststätte "Zum Schäfchen" dar: glatzköpfig, auffällig tätowiert, muskelbepackt. Er wirkt wie ein Fremdkörper in dieser vornehmlich antimodern ausgerichteten Umgebung. Der bekennende Homosexuelle distanzierte sich von der Schwulenbewegung – als deren Vertreter hätte er es wohl kaum nach Schnellroda geschafft. Im "Schäfchen" stellt er sein neuestes Werk mit dem Titel: »Der Weg der Männer« vor, auf Deutsch erschienen im Antaios Verlag.
Der US-Rechte, der der »Alt-Right«-Bewegung zugerechnet wird, inszeniert sich als archaischer Vertreter einer Idee, die auf Verehrung von Barbarentum, Kriminalität und heidnischem Kult basiert. Will der braungebrannte US-Amerikaner vordergründig auch nicht in die Veranstaltung passen, ist er in rechten Kreisen doch längst Kult. Die Menge schmächtiger Brillenträger feiert ihn und damit die Idealisierung des Gewalttriebs, gepaart mit einem heroischen Männlichkeitsbild. Feindbilder stellen Frauen und, so paradox es klingen mag, auch Homosexuelle dar. Nicht zuletzt mit der Einladung eines rassistischen Hardliners wie Jack Donovan bröckelt die Fassade des »Instituts für Staatspolitik« als vermeintlich konservativer Einrichtung gewaltig.
Donovans Buch zu lesen stellt für den Hamburger Historiker Volker Weiß eine Zumutung dar, daraus macht er im eigenen Werk »Die autoritäre Revolte« keinen Hehl. Weiß schreibt, die Herausgabe von »Der Weg der Männer« durch den Verlag Antaios entlarve das Milieu »als von primitivsten Begehrlichkeiten getrieben«. Doch der Reiz Donovans für ein sich selbst als »konservativ« definierendes Milieu liege vor allem in der anthropologischen Argumentation: Natur statt Kultur, Kampf statt Zivilisation. Die scheinbar zugrunde liegende Schwäche für ein neues Barbarentum wird in dem neurechten Verlag als »Reconquista maskuliner Ideale« gepriesen. Der Begriff Reconquista steht für Rückeroberung, anders als im historischen Kontext soll er hier als Kampf um politische Ideale verstanden werden. »Sie alle führen als Identitäre in ihrer Angst vor dem Nicht-Identischen einen wahren Feldzug gegen jede Form der Verunsicherung eines festen Geschlechterschicksals«, erklärt Weiß. Im Fall der »Neuen Rechten« sei der Wunsch »nach ungebrochener Klarheit ebenso deutlich wie verräterisch«.
»Gewalt herrscht« ist Donovans zentrale Botschaft, auch an diesem winterlichen Morgen in Sachsen-Anhalt. Gewalt sei »das vorherrschende Prinzip und die grundlegende Funktion der Männlichkeit« und jede »neue Ordnung«, jedes »neue Zeitalter der Menschheit« werde durch »schöpferische Gewalt« bestimmt. An die Kameraden gerichtet, fordert er: »Wir können Stärke innerhalb unserer eigenen Kreise kultivieren, indem wir einander Stärke abverlangen.« Fordern deutsche Neonazis noch die Bildung nationaler »Kampfgemeinschaften«, so redet Donovan weitaus moderner von »Gangs«, die ihre Stärke beim Zusammenbruch der bestehenden Zivilisation beweisen könnten. Körperkult und Machogehabe halten unaufhaltsam Einzug.
Im historischen Faschismus war die ästhetische Inszenierung des Körpers ein zentrales Element. Geometrisch geordnete Marschkörper von SA, SS und Wehrmacht priesen höchste Selbstdisziplin und Härte. Akt-Skulpturen von Staatskünstlern wie den Bildhauern Arno Breker oder Joseph Thorak zeigten panzerartige Körper in Siegerposen oder beim stolzen Besiegtwerden. Propagandafilme, unter anderem von Leni Riefenstahl, inszenierten ein Trugbild vermeintlich unbesiegbarer arischer Krieger und Kriegerinnen.
Bereits 2013 forderte Götz Kubitschek stärkere Führungspersönlichkeiten, suchte nach »Desperados«. Längst verlassen die sich intellektuell Gerierenden die Studierzimmer und trainieren Kampfkunst und Angriffssport. Vom »stolzen Mannestum« schwadronierten bereits die völkisch-nationalistischen Erzieher der 2009 verbotenen »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ), dessen ideologischer Ursprung im Soldatentum zu finden sei. Auch Bjorn Höcke, der so gerne Tabus bricht, wählte ähnlich klingende Worte auf dem AfD-Parteitag Ende 2015: »Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden.«
Kubitscheks Ehefrau Ellen Kositza bespricht Jack Donovans Buch in einem Videoclip des »Kanals Schnellroda« bei Youtube. Es sei kein Buch für Männerrechtler, sagt sie, vor heimischen Bücherregalen, im Wohnzimmer sitzend. Es gehe Donovan vielmehr darum, dass Männer wieder in der Lage sein sollten, ihr Revier abzustecken. »In der heutigen Zeit blöke die Herde nach Designern, nach Künstlern, nach Schwätzern, die nicht mehr könnten, als lustig, witzig und hübsch zu sein«, so die Mutter von sieben Kindern. Kraft, Mut, Ehre und Kompetenz dagegen seien vier der »Männertugenden« nach Donovan. »Einem Geheimtipp gleich« mögen Gefährten sich dieses Buch Die »Neue Rechte« und die »Identitäre Bewegung« einander zustecken, gibt sie verschwörerisch die Botschaft eines anderen rechten Rezensenten weiter.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem "Jahrbuch rechte Gewalt 2018" von Andrea Röpke, aus dem Kapitel "Die 'Neue Rechte', die 'Identitäre Bewegung' und das Motto 'Gewalt herrscht" (S. 39-67). Mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.
Das "Jahrbuch rechte Gewalt" versammelt in einer umfassenden Chronik alle Gewaltverbrechen mit rechtsradikalem Hintergrund, dokumentiert einzelne Fälle und Täter in Reportagen und Porträts, leuchtet Vorgehensweisen, Tätergruppen, lokale Schwerpunkte und Tendenzen in Hintergrundberichten und Analysen aus.
Andrea Röpke
Jahrbuch rechte Gewalt 2018
Knaur Taschenbuch, München 2018
382 Seiten
12,99 Euro